Nachrichten verbreiteten sich dieser Tage schnell, sehr schnell. Die Pferde, die die Meldereiter trugen, schienen keine Eisen an den Hufen zu tragen, sondern Flügel an den Flanken zu besitzen. Und betrüblicherweise waren es keine guten Meldungen, die momentan das Kaiserreich durchzogen. Dass Tamelsquell abgeschnitten war, die schwarzpelzige Armee bald vor Eisentrutz stehen.
Rayan, Thoradin und Khamet hatten erst eine Nacht in Isenburg verbracht, nachdem sie unter großen Anstrengungen das Aivarunenlande durchzogen hatten. Die – oftmals bewaffneten – Auseinandersetzungen mit den Bewohnern der Steppe waren nicht ohne Folgen geblieben. Keiner der drei war ohne Wunde geblieben, ein jeder hatte einen Teil seiner Ausrüstung verloren oder zum Ausbessern an einen Schmied zu geben. Dennoch waren die Pferde, die sie in die Stadt am Zügel hineingeführt hatten, gut beladen gewesen. Einige Speere, Säbel und Schilde waren das Ergebnis, wenn sie den Aivarunen die Stirn geboten und ihre Angreifer in Nahubis Arme getrieben oder ihnen zumindest die Waffen genommen hatten, auf dass sie ihnen nicht in den Rücken fallen konnten. Mit Glück hatten sie am Abend einen durchreisenden Alchemisten getroffen, der sie mit allerlei Heilmitteln und –tränken zu versorgen wusste und zudem auch noch einige Geschichten aus dem Reich der Dûn zu erzählen wusste, denen vor allem Thoradin interessiert und bestürzt lauschte. Die Taverne von Isenburg war angefüllt mit Schreckensgeschichten, Nachrichten und Gerüchten aus dem Westen, sodass sich die drei noch am gleichen Abend entschieden, den Weg nach Eisentrutz zu suchen und schnellstmöglich in die Stadt zu ziehen. Dass sie anscheinend nicht die einzigen waren, stellten sie sowohl an diesem Abend wie auch an den folgenden Tagen fest. Oft trafen sie Abenteurer, die ebenfalls ihren Weg zur vermeintlichen Gefahr suchten und hofften, ihre Klinge – manche gegen Gulden, manche für den Ruhm und die verwegensten allein für die Freude am Schlachten – Eisentrutz zur Verfügung stellen und den Orks entgegensetzen zu können.
Vier Tage später kamen sie am Abend in Eisentrutz an. Es war zu spüren, dass auch die Stadt summte und vibrierte. Vor Anspannung, vor Vorfreude, vor Angst. Teilweise erblickte man Ordenshäuser vor den Toren der Stadt, die in ihrer Wehrhaftigkeit wohl ein ganzes Jahr einer Belagerung standhalten konnten. Andere, nicht weit von ihnen, waren nicht mehr als ein einfaches Haus. Um einige von ihnen hatten sich Ansammlungen von chaotisch beieinander stehenden Zelten geschart. Abenteurer, Söldner und allerlei anderes Volk tummelte sich dort, besserte die Ausrüstung aus, schärfte die Waffen oder vertrieb sich mit Essen und Trinken die Zeit am Feuer. Die Stadtwache beäugte jeden, der die Stadt betreten wollte, ob dieser Gesellen vor den Toren, misstrauisch. Ein wenig klingende Münze verschaffte jedoch Rayan und seinen beiden Kameraden ohne größere Probleme Einlass in die Stadt. Die Gassen der Stadt schienen teilweise leergefegt zu sein; kein Kind war zu erblicken, kein Kindergeschrei zu vernehmen, selbst Frauen und Alte schienen die Stadt verlassen zu haben. Unübersehbar war jedoch auch innerhalb der Mauern die Anzahl der Gerüsteten, Krieger, Knappen; jene, die soeben erst gelernt hatten, wie sie eine Klinge zu halten hatte; jene, deren Finger sie schon zu viele Jahre gehalten hatte.
Nachdem die drei Abenteurer einige Worte gewechselt hatten, begannen sie, an die Türen der Häuser von Eisentrutz zu klopfen. Ein Bett in einem der Gasthäuser der Stadt zu bekommen, war ob der schieren Anzahl der anwesenden Klingen ein sinnloses Unterfangen. Verängstigte Blicke, von Furcht bestimmtes Handeln jedoch schlugen ihnen entgegen, in gleichem Maße wie die Türen vor ihren Nasen zugeschlagen wurden. Viele Türen hatten sich geöffnet und flink wieder geschlossen, bevor die drei bei einem alten Kämpen, dessen Arme nicht mehr stark genug waren, um eine Klinge zu heben, mit guten Wort und einige Münzen Quartier fanden. Dieser wies ihnen auch den Weg zu den Ställen, wo sie ihre Tiere unterbringen konnten. Auch in diesen zeigte sich, dass die Stadt zum Bersten voll war; waren die Boxen teilweise nicht mit einem, sondern zwei Pferden belegt. Doch auch hier half der Griff in die Börse, um für Rayans Shaddai und die Reittiere seiner Kameraden Platz und Futter zu bekommen.
„Lasst uns sehen, dass wir etwas essbares finden und einige Neuigkeiten erhaschen“, meinte Rayan.
„Zu viele Gerüchte haben wir auf unseren Reisen gehört. Hier sollte sich doch endlich jemand finden, der wirklich etwas Handfestes weiß. Nicht, dass wir umsonst hierher geeilt sind. Und lasst uns schauen, ob wir noch einen Mitstreiter finden. Eine Klinge mehr kann nie verkehrt sein. Wenn wir uns den Schwarzpelzen entgegen stellen, sind wir sicher für jeden Mann oder jede Frau dankbar, die in unserer kleinen Gruppe streitet. Bei den ganzen Abenteurern hier sollte das ja kein allzu schwieriges Unterfangen werden.“Sie lenkten ihre Schritte Richtung Marktplatz, in der Hoffnung, sowohl Neuigkeiten zu erfahren als auch einen weiteren Krieger zu finden, der sich ihrer kleinen Gruppe anschließen würde.