Arwens Land

Kaiserreich, Fürstentum Thelessa...

Arwens Land

Beitragvon Tica » Fr 10 Aug, 2012 16:06

Mein Versuch die Geschichte meiner Antamar-Charaktere - beginnend mit einem Ahnen Aylas, meiner Jägerin und der ersten für Antamar erdachten Figur - zur Papier zu bringen. Wer zunächst wissen möchte, was ihn hier erwartet, dem sei empfohlen, sich ingame meine Beschreibungen von Ayla von Karökya und Adrian Hilfreich anzuschauen.

Die Geschichte hat mehrere Teile, die ich nach und nach hier veröffentlichen werde und führt bis in die aktuelle Antamarsitution meiner Helden, die sich zwar schon begegnet sind, aber nicht wissen, wer der jeweils andere ist. Dort "angekommen" würde mich dann über die Beteiligung anderer User und deren Beschreibungen über Begegnungen mit Ayla und/oder Adrian sehr freuen.


Die Geschichte beginnt mit zwei Teilen
"Die Vertreibung" handelt von einem Ahnen Aylas und erzählt warum dieser seinen Geburtsort verließ
"Der Mondsee" ist die Geschichte von der Entstehung von Arwens Land, dem Geburtsort und der Heimat Aylas

Arwens Land
Die Vertreibung

Vor langer Zeit wurde bei den Terr-Boll in Karökya, einer stadtähnlichen Siedlung im Aivarunenland, ein Junge geboren, den seine Eltern Arwen nannten. Er war gesund und wuchs heran. Er wuchs und wuchs und wuchs und überragte, als er erst fünfzehn Sommer erlebt hatte, seine Eltern schon um mehr als eine Haupteslänge.

Er war jedoch nicht nur groß, sondern auch wißbegierig und klug. Diese beiden Eigenschaften ließen ihn zu einem jungen Mann reifen, der sich ausgezeichnet mit den Bewässerungsanlagen auskannte, für die die Terr-Boll, auch Lehmbauern genannt, bekannt sind. Er verfeinerte die alten Techniken durch neue Ideen und wurde so zu einem anerkannten und beliebten Mitbürger seiner Stadt.

Er war zufrieden und arbeitete gerne auf den Feldern. Seine Aufgabe war es, die Arbeiter und Arbeiterinnen einzuteilen und die Bewässerungsanlagen in einem guten Zustand zu halten. In seiner arbeitsfreien Zeit Freizeit suchte er nach dem Mädchen, welches er an sich binden und mit der eine Familie gründen wollte. Er hatte jedoch bisher die Richtige noch nicht gefunden und überlegte während seines Tagwerkes gerade, ob er nicht eine andere Terr-Boll-Siedlung aufsuchen sollte. Vielleicht würde er dort das Mädchen treffen, bei deren Anblick er den Wunsch verspürte sich zu binden?

Mitten in seinen Überlegungen hinein ertönte plötzlich das Signalhorn vom Wachtturm am Stadtrand. Drei lange Töne. Das bedeutete, es näherten sich Feinde! Routiniert handelte jeder auf dem Feld arbeitende Aivarune so, wie es in den Regeln stand. Diese Regeln waren nach den großen Kriegen aufgestellt worden, in denen fast alle Familien der Stadt gefallene Mitglieder zu betrauern hatten. Mindestens einmal in jedem Mond gab es einen Probealarm und eine Übung, damit jeder wusste, wie man einem feindlichen Überfall begegnen sollte.

Arwen war daher nicht aufgeregt. Er nahm seinen Rucksack, den er gerade erst abgestellt hatte und ging schnellen Schrittes zu einem der Wassergräben, die die Felder umschlossen. Er hockte sich zu einem anderen Arbeiter, dem alten Strankwen, der dort schon vorschriftsmässig Deckung gesucht hatte, als plötzlich ein Pfeilhagel über dem Graben niederging. Arwen schaute erschrocken nach seinen Arm. Dort hatte ihn einer der Pfeile getroffen. Da er aber ein Hemd aus festem Rindsleder trug, war der Pfeil abgeprallt und wirkungslos auf den Boden des Wassergrabens gefallen, in dem jetzt im Hochsommer und während der Ernte wegen der geschlossenen Schotten nur armseliges Rinnsal des Wassers floß.

Neben ihm stöhnte Strankwen, ein Arbeiter, der sicher schon mehr Sommer als Arwens Vater gesehen hatte, laut auf, während er einen Pfeil, der sich in sein rechtes Bein gebohrt hatte, herauszog. Die entstandene große Wunde blutete heftig. Arwen zog schnell ein sauberes Leintuch aus seiner Hosentasche um die Blutung zu stillen. Es ist doch gut, dass Mutter mir immer noch jeden Tag ein sauberes Tuch in die Tasche steckt, obwohl ich immer darüber lache, dachte er. Dann lugte er vorsichtig über den Rand des Grabens.

"Es sind Goblins! Die trauen sich tatsachlich hierher?" sagte er verdutzt zu seinem verletzten Kollegen. Er zog seinen Säbel, den er meisterlich zu führen verstand, den er jedoch während der Arbeit meist in seinem Rucksack verstaute, und wollte losstürmen. Der Verletzte hielt ihn zurück. "Seid vorsichtig" mahnte ihn der alte Mann "Sie kommen oft als Vorhut von Orks. Goblins alleine sind feiges Gezücht. Aber die Orks bedienen sich ihrer mitunter um die Angegriffenen irre zu führen und dann gnadenlos zuzuschlagen."

Kaum hatte der alte Feldarbeiter ausgesprochen, sah Arwen hinter den Goblins eine Gruppe riesiger Orks, begleitet von ein paar Ogern. Er war nicht ängstlicher Natur aber dieser Anblick ließ ihn schaudern. Die Orks marschierten in Richtung Stadt und Arwen konnte dem Impuls, aufzuspringen und die Bewohner seiner Stadt zu warnen, kaum widerstehen. Da die Regeln aber für die Feldarbeiter im Falle eines Angriffs andere Aufgaben vorsahen, wartete er ab. In einem Moment, wo er hoffte, von den Agressoren nicht gesehen zu werden, richtete er sich ein wenig auf, drückte dem Alten nochmal aufmunternd die Hand und huschte dann in gebückter Haltung den Graben entlang.

Seine Aufgabe war es nach anderen Überlebenden des Angriffes zu suchen und aus den unverletzten und kampffähigen Feldarbeitern einen Trupp zu bilden, der die Kämpfer in der Stadt unterstützen konnte. Also ging er den Graben, der als kompliziertes und verwinkeltes Machwerk alle Felder umschloß und auch einige Nebenarme hatte, die in die Mitte des Feldes führten, ab und schon nach wenigen Schritten stand er vor einem Leichnam. Entsetzt starrte er auf einen seiner Freunde, Simowen, der von vielen Pfeilen durchbohrt, auf dem Rücken im Graben lag. Mit den Tränen kämpfend beugte Arwen sich herab, schloß dem Toten die Augen und zwang sich weiter zu schleichen.

Arwen ahnte, dass er nicht das letzte Opfer dieses Angriffes gesehen hatte und diese Befürchtung sollte sich schnell bestätigen. Meter um Meter kroch er auf der Suche nach Mitkämpfern durch den Graben und fand doch nur Tote und Schwerstverletzte. Er tröstete und versuchte Wunden notdürftig zu verbinden um seine Suche dann aber schnell fortzusetzen. Ein leises Wimmern hielt ihn auf.

Es war eine Feldarbeiterin, die Gefährtin eines seiner Freunde. Sie war offenbar unverletzt, hielt aber ihr totes Baby im Arm, streichelte es und weinte dabei leise. Arwen schluckte heftig und dachte daran, dass er noch wenigen Minuten mit dieser Frau, die sein Freund vor einem Sommer aus fernen Landen hierher zu den Terr-Boll entführte, gescherzt hatte. Sie hatte sich, obwohl sie erst vor kurzem aus dem Kindsbett aufgestanden war, mit dem Kind auf dem Rücken zur Arbeit gemeldet. In ihrem Heimatland hatte sie schlimme Hungernöte erlebt und sie wollte deshalb unbedingt helfen, die Ernte unter Dach und Fach bringen. Arwen wollte sie wieder heimschicken weil die Männer und die Frauen, die nicht Mütter waren, dies auch ohne ihre Hilfe bewältigen würden. Aber sie hatte darauf bestanden zu bleiben.

Obwohl es gegen die Regeln verstieß schleppte Arwen nun diese junge Frau mit ihrem toten Kind zu dem alten Mann, den er mit seinem verletzten Bein zurückgelassen hatte. "Kümmert Euch bitte um sie und sorgt dafür, dass ihr in Deckung bleibt" bat er den Alten und huschte wieder davon, dieses Mal in die andere Richtung des Grabens.

Nach kurzer Zeit fand er zwei leichtverletzte Männer, die er auch zu dem Alten und der trauernden Mutter mit ihrem toten Kind schickte. Aber die weitere Suche nach Überlebenden blieb erfolglos. Arwen war tief verstört, so viele tote Aivarunen hatte er noch nie gesehen. Auch wenn alle in seinem Stamm, sogar die Kinder, wegen der ritualen Aufbahrungen und langwierigen Trauerzeremonien mit dem Tode vertraut waren, so viele und solch gewaltsame Tode hatte es lange Zeit nicht gegeben.

Arwen kannte solche Szenarien nur aus den Erzählungen der Alten. Selbst seine Eltern waren Kinder als der letzte kriegerische Überfall auf die Stadt stattgefunden hatte. Die Geschichten darüber hatten ihm immer kleine Schauer über den Rücken getrieben, trotzdem hatte er, wie wohl alle Kinder, diesen Erzählungen immer gerne gelauscht. Es waren eben Geschichten, auch wenn sie, abgesehen von den paar Übertreibungen, die wohl im Laufe der Zeit dazu gedichtet worden waren, tatsächliche Geschehnisse waren. Geschehnisse, die tiefe Spuren bei den betroffenen Menschen hinterlassen hatten.

Als Arwen am Ende des Bewässerungsgrabens ankam, hörte er leisen Gefechtslärm aus der nahen Stadt. Der Wunsch, dorthin zu eilen und gemeinsam mit den Bewohnern gegen die Goblins, Orks und Oger zu fechten, wuchs ins Unermeßliche. Er mußte diesen Wunsch unterdrücken. Die Regeln - von ihm oft als überflüssig betrachtet, weil es bisher nie Überfälle gab - schrieben ihm genau vor, was er zu tun hatte. So musste er nun, da er den Hauptgraben einmal in der ganzen Länge abgesucht hatte, die Nebenarme die in die Felder führten, abschreiten und nach Überlebenden suchen. Arwen gönnte sich einen Schluck kühlen Wassers, das sich hinter der Absperrung aufstaute. Der dicke Klumpen den er in seinem Hals zu spüren glaubte, ließ sich aber damit nicht wegspülen. Arwen ging weiter und hoffte, dass er hier aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mehr Überlebende finden würde. Und so war es auch. Hinter der ersten kleinen Biegung kamen ihm ein Handvoll Frauen und Männer entgegen, offenbar unversehrt. "Arwen!" rief eine der Frauen laut.

"Pssst...." beschwörend legte Arwen den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete so der Gruppe leise zu bleiben, Dann zeigte er in Richtung Stadt. Flüsternd informierte er die anderen: "Es sind etwa 50 Goblins, ebenso viele Orks und einige wenige Oger."

"Wir haben die Seitenarme schon abgesucht und niemand weiter gefunden" flüsterte einer der Männer.

"Nun denn" raunte Arwen. "Gehen wir zurück. Aber seid gewappnet, es sind viele Tote zu beklagen und wir müssen an einem großen Teil von ihnen vorbei".

Er führte die Gruppe zu den Zurückgelassenen im Hauptarm des Grabens. Als sie sahen, dass Arwen in Begleitung zurückkam, schauten der alte Mann und die beiden Leichtverletzten hoffnungsvoll drein. Die Frau saß, inzwischen stumm und still, auf dem Boden des Grabens, ungeachtet des kleines Rinnsals in der Mitte und hielt immer noch das tote Kind in ihren Armen. Sie reagierte überhaupt nicht auf die Ankunft der anderen.

Arwen wollte mit den Überlebenden zur Stadt zu schleichen, um die regulärer Kampftruppe, die man trotz des langen Friedens jeden Mond neu zusammenstellte, zu unterstützen. Nur der alte verletzte Mann und die Frau seines Freundes mit dem toten Kind sollten im Versteck bleiben. Er unterbreitete diesen Vorschlag den anderen. Alle waren einverstanden. Uns so schlichen sie los.

Vorsichtig und leise kletterten sie am Ende des Grabens heraus, rannten über das Feld und suchten schnell, in der Hoffnung nicht von einer womöglich vorhandenen Nachhut des Feindes entdeckt zu werden, die nächste Deckung, ein paar halbhohe Sträuchern. Und weiter zu einer Ruine eines Wohnhauses aus den alten Kriegen und von dort zu einem Loch in der hölzernen Palisade rund um die Stadt. Erst dort fiel ihnen auf, dass kein Gefechtslärm zu hören war. Es war einfach nur gespenstisch still in hinter der Palisade. Hoch über Stadt flogen ein paar pechschwarze große Galgenvögel.

"Ob unsere Männer schon gesiegt haben?" fragte eine der Frauen raunend.

"Wir werden sehen.Wir haben viel zu lange gebraucht um hierher zu gelangen."
Arwen flüsterte diese Worte besorgt und lugte durch die versteckt liegende Öffnung der Palisade ins Innere der kleinen Stadt. Was er sah gefiel ihm nicht und gab ihm Anlaß zu den schlimmsten Befürchtungen. Er sah mehrere, offenbar im Kampf gefallene Aivarunenkrieger auf dem Weg liegen, von den Feinden keine Spur. "Wir müssen drinnen nachsehen" meinte er verzweifelt und zwängte sich entschlossen durch die schmale Öffnung. Er gab sich keine Mühe mehr sich zu verbergen und als er sich umsah, war ihm klar, dass seine schlimmen Befürchtungen noch übertroffen wurden. Die Orks und Oger und Goblins waren offenbar schon fort. Überall, soweit er schauen konnte, lagen Leichen. Nicht nur von Kriegern, die er zunächst durch den Spalt gesehen hatte. Nein, Leichen von Männern und Frauen, Kindern und sogar von Haustieren. Es waren hunderte und Arwen wusste nun, warum die Galgenvögel schon über der Stadt kreisten. Sie erhofften sich ein Mahl.
Nach und nach kletterten die restlichen Überlebenden durch den Spalt und schauten stumm und entsetzt auf die gespenstische Szenerie. Ein Massaker hatten die Angreifer veranstaltet, ein entsetzliches Gemetzel ohne Überlebende. Die Stadt der Terr-Boll war tot. Tot und ausgeplündert.

Drei Monde später ....
Von vier Seiten waren die Orks über die Siedlung hergefallen. Der Trupp, der Arwen und seine Männer angegriffen hatte, war der kleinste gewesen. Etwa fünfhundert Orks, ebensoviele Goblins und hundert Oger waren für das Massaker verantwortlich. Das wußte man jetzt weil die Horde weiter gezogen und anderen Ortes gleiches getan hatte.

Arwen und die anderen Überlebenden hatten getrauert, die notwendigen Zeremonien, soweit das möglich war, durchgeführt und am Ende die Toten würdig beigesetzt.

Einer der Verletzten, der alte Strankwen, war nach seiner Genesung "auf die Jagd gegangen", wie es manche Aivaruna im hohen Alter bei allgemeiner Not in der Sippe tun. Arwen konnte es ihm nicht verdenken, hatte er doch selbst in den vergangenen drei Monden mit dem Gedanken gespielt Ähnliches zu tun. Er fühlte sich aber für die anderen verantwortlich, nur das hielt ihn davon ab, den Freitod zu sterben.

Die anderen Überlebenden, jung an Jahren, aber nun voll mit schlimmen Erinnerungen und Erfahrungen an die sinnlos dahin gemetzelten Eltern, Kindern, Geschwistern und Bekannten konnten und wollten auch an diesem Ort nicht mehr leben. Ein Mann und eine Frau verabschiedeten sich, sie wollten künftig bei Verwandten in einem anderen Teil des Aivarunenlandes wohnen. Der Rest schloß sich Arwen an, der alles Brauchbare auf hölzerne Karren packte und mit dem kleinen Häufchen an getreuen Begleitern in die Steppe zog. Auf der Suche nach einer neuen Heimat, einer Heimat, die einen das Unglück dieser Siedlung vergessen lassen sollte.

Fortsetzung mit dem Titel "Der Mondsee" folgt
Im Spiel verraten wir, wes Geistes Kind wir sind.
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Re: Arwens Land

Beitragvon Tica » Mo 03 Sep, 2012 13:03

Arwens Land
Der Mondsee


Kaylo von Karökya saß am Ufer des Mondsees auf einem alten, von der Sonne und dem Wasser ganz ausgebleichten Baumstamm. Neben ihm, dicht an ihn gekuschelt, seine jüngste Tochter Ayla. Vor dem Baumstamm, der schon oft als willkommene Sitzgelegenheit gedient hatte, wenn die Familie im Sommer einen ihrer zahllosen Ausflüge an den Mondsee machte, hatte der stolze Vater eine Feuerstelle angelegt. Von großen weißglänzenden Steinen eingefasst, brannte ein kleines, aber kräftiges Feuer unter einem Holzspieß mit Antilopenbret.

Die Antilope hatte Kaylo vor ein paar Tagen gemeinsam mit seiner Frau und Jagdgefährtin Tavula erlegt. Tavula hatte dann, viel geschickter als er es je vermochte, das zarte Tier zerteilt und die Fleischstücke in luftiger Höhe in der kleinen Felshöhle nahe ihrem Wohnhaus aufgehängt. Das machte sie immer mit Fleischvorräten und nur deshalb wurde die Bratenstücke so saftig und zart, dass man nicht mehr aufhören wollte zu essen, wenn das Fleisch dann später - gut abgehangen - gebraten auf den Tisch kam.

Kaylo war sehr stolz auf seine Frau, die ihn nicht nur bei der Jagd gerne begleitete und eine verdammt gute Kämpferin war. Darüber hinaus war sie auch noch eine gute Köchin, eine liebevolle Mutter und wunderschön. Kaylo liebte es ihre hochgewachsene Gestalt anzuschauen, mit einer Strähne ihres langen blonden Haares zu spielen, ihr tief in die Augen zu schauen und dann das Gefühl zu haben, im unendlichen Blau ihrer Augen zu ertrinken. Sie war eine Amazone und wirkte auf einen Aivaruna sehr fremdartig. Waren diese doch meist braunäugig und dunkelhaarig und eher von kleinerer Statur. Da Kaylo aber zu den wenigen Steppenbewohnern gehörte, der seine Artgenossen überragte, freute er sich immer wieder an der stattlichen Größe seiner Gattin, war sie doch immer noch zwei gute Handbreit kleiner als er. Sein Sohn Kartavu und Ayla, seine Jüngste, hatten beide die Statur, Haar- und Augenfarbe ihrer Mutter geerbt, während seine Erstgeborene Tochter Manyla ganz aus der Art geschlagen schien. Sie hatte rotes Haar und grüne Augen und sah weder wie eine Aivaruna noch wie eine Amazone aus.

Sie war nun sechs Sommer alt und er erinnerte sich ungerne an ihre Geburt. Er schämte sich noch heute für die harten Worte die er für seine Frau gefunden hatte, als er seine Tochter von der alten Kinderfrau und Geburtshelferin Oranga in den Arm gelegt bekam. Er hatte seiner Enttäuschung, dass dieses Kind nicht der Sohn war, den er sich gewünscht hatte und auch noch so seltsam aussah, deutlich Ausdruck verliehen. Tavula hatte ihn damals nur traurig angesehen und gemeint, Kinder wären Geschenke der Götter und für eine Amazone sei die Geburt einer Tochter etwas ganz Besonderes. Erst viele Monde nach Manylas Geburt, nachdem die alte Oranga, die schon die Kinderfrau für seine Frau gewesen war, ihm einiges von der Geschichte sowie den Sitten und den Gebräuchen der Amazonen erzählt hatte, begriff Kaylo, wie sehr er seine geliebte Tavula damit verletzt hatte. Seine Tochter hatte inzwischen mit ihrem ganz eigenen Charme seine Zuneigung erobert. Erst an ihrem Namensfest erfuhr Kaylo, dass eine seine Vorfahrinnen ebenso ausgesehen hatte wie seine Erstgeborene, weil er ein Gemälde fand. Er benannte dann seine Tochter nach der Ahnin.

Kaylo wusste sehr bald, dass Tavula ihm verziehen hatte. Kaum ein Jahr später schenkten die Götter ihnen den Sohn, den er sich immer gewünscht hatte und weil dieser Blondschopf ihn mit Tavulas blauen Augen anstrahlte, schloß er ihn sofort ins Herz. Sie nannten ihn Kartavu. Ein weiteres Jahr später legte ihm die alte Oranga wieder eine Tochter in den Arm und wieder lächelte ihn ein Abbild seines geliebten Weibes an und eroberte ihn im Sturm. Es war Ayla.

So in Erinnerungen an die vergangenen Jahre versunken und mit der dicht an ihn gekuschelten jüngsten Tochter an seiner Seite, hatte Kaylo fast nicht bemerkt, dass seine Frau und seine beiden anderen Kinder ihr Bad im Mondsee beendet hatten und sich nun auch der Feuerstelle näherten.

"Das duftet aber gut! Jetzt haben wir aber auch Hunger, wunderbar, dass ihr beiden schon das das Essen zubereitet habt."

Tavula strahlte ihren Mann bei diesen Worten an, streichelte ihrer Jüngsten liebevoll über das Haar und holte sich ein Messer und ein paar weitere Utensilien aus dem Rucksack, der an dem Holzstamm lehnte. Energisch schnitt sie mehrere Portionen von dem inzwischen knusprig gebrutzelten Antilopenbretes ab, bestrich sie mit Würzpaste aus Kräutern und Salz, die sie zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, wickelte die einzelnen Fleischportionen in je ein Blatt des Tomalisbaumes und reichte sie ihren Kindern und ihrem Mann. Dann setzte sie sich neben Kaylo. Als sie sah, dass sich alle mit Appetit daran machten, die Mahlzeit zu verspeisen, widmete sie sich ihrer eigenen Ration.

Ihren Durst löschten sie mit Brunnenwasser, welches Tavula in Tonflaschen abgefüllt hatte, damit es kühl blieb. Als alle ihren Hunger gestillt hatten bettelten die Kinder, Kaylo möge ihnen doch die Geschichte von Arwens Land erzählen. Kaylo schmunzelte. Er hatte es geahnt, dass die Kinder hier am Mondsee die Geschichte seiner Ahnen hören wollten, die sich vor vier Generationen hier in der Nähe niederließ. Er ließ sich nicht lange bitten und begann mit seiner Erzählung.

"Nun, wie ihr wisst, war Arwen lange unterwegs um eine neue Heimstatt zu suchen. Arwen war in Karökya geboren, der Wohnsiedlung aus der er vor zwei Sommern vor der Erinnerung an das schreckliche Massaker, dass ein paar hundert kriegswütige Orks und Goblins dort verursacht hatten, geflohen war. Viele der Überlebenden, die ihn ursprünglich begleiteten, waren nicht mehr bei seinem Treck. Manche waren zu Verwandten geflüchtet, andere hatten sich irgendwo unterwegs niedergelassen, wo es ihnen gefiel. Nur Manyla, eine Feldarbeiterin die bei dem Massaker ihren Mann und ihr Neugeborenes verloren hatte, Kurva, eine alte Dame, die aber während der langen Reise gezeigt hatte, wie zäh und ausdauernd sie noch war und die zwei jungen Vettern von Arwen, Oriwen und Shany, waren noch mit Arwen unterwegs.

Sie hatten einen hölzernen Karren, auf den sie das wenige Hab und Gut geladen hatten, was damals noch verwendbar erschien, der inzwischen von zwei robusten Zugpferden gezogen wurde. Zu Beginn ihrer Reise hatten sie selbst ziehen müssen, die Orks hatten alles Leben in der Siedlung ausgelöscht, das der Menschen und auch das der Nutztiere. Unterwegs hatte Arwen jedoch die Gelegenheit gehabt, seine guten Kenntnisse rund um die Bewässerung von Feldern einzusetzen. Er half einem Bauern, ein solches System anzulegen und bekam als Belohnung die beiden Pferde, die nun der Gruppe nützliche Dienste leisteten. Eines Tages, es war an einem lauen Sommerabend wie dem heutigen, kam Arwen mit seinen Leuten hier an den Mondsee. Dort drüben."

Kaylo zeigte mit den Händen zur anderen Uferseite des Mondsees. Im Gegensatz zu der strandartigen kleinen Bucht, in der sie sich gerade befanden, reichte dort ein kleiner Wald fast bis an den Rand eines steil abfallenden Felshangs. Die Familie kannte den atemberaubenden Anblick, den der Mondsee bot, wenn man aus dem Wald an den Steilhang trat.

"Arwen blieb oben am Steilhang stehen und bestaunte den Mondsee und die umgebende Landschaft. Sein erster Gedanke war, dass man hier ein natürliches Wasserreservoir hatte, um Felder zu bewässern. Mitten in der Steppe ein kleiner Wald und ein See? Wo mag das Wasser herkommen? Diese Fragen stellte sich Arwen und beschloß, diese Gegend genauer zu erkunden. Manyla schaute sich auch mit großen Augen um und bat Arwen dann, man möge hier bleiben. Ihr gefalle der See weil er sie an ihre Heimat erinnere. Ihr wisst ja, Manyla war keine Aivaruna sondern hatte einen Freund Arwens in der Fremde geheiratet und war ihm nach Karökya gefolgt. Arwen stimmte sofort zu, seine Vettern waren noch jung an Jahren und würden ohnehin tun, was er vorschlug und die alte Kurva nickte bereits zustimmend als Manyla ihre Bitte Arwen vortrug. Also umrundeten sie den See und lagerten genau hier an dieser Stelle, an der wir jetzt sind. Schaut mal hinter euch. An diesem kleinen Felsen hat Arwen ein paar Schriftzeichen in den Stein geschlagen, zur Erinnerung an den Entschluß der Gruppe sich hier in dieser Gegend niederzulassen."

Bei den letzten Worten Kaylos sprangen seine Kinder auf und rannten zu dem kleinen Felsen. Natürlich hatten sie die Schriftzeichen des alten Arwen schon einmal gesehen, aber immer, wenn der Vater die Geschichte erzählte, rannten sie los als müssten sie sich vergewissern, dass sie dort noch immer vorzufinden waren.

Nur für Ayla, die Jüngste, war die Geschichte neu und sie konnte sich auch nicht erinnern, die Zeichen schon einmal gesehen zu haben. A r w e n s L a n d buchstabierte sie, während sie mit den kleinen Fingern die einzelnen Zeichen in der Felswand abtastete. "Vater? Was steht denn darunter? Hier steht noch etwas!"

Kaylo, der inzwischen auch am Felsen angekommen war und seine Kinder schmunzelnd betrachtete, erklärte ihr: "Das ist Imperial, eine andere Sprache, deren Schriftzeichen ihr noch lernen müsst. Man schreibt und spricht es in vielen Ländern in Antamar. Manyla konnte es und hat es Arwen gezeigt."

Er staunte immer wieder über den Lerneifer seiner Kleinen. Tavula hat erst vor wenigen Wochen begonnen, Ayla die Schriftzeichen zu lehren, wie zuvor auch schon ihrer älteren Tochter und dem Sohn. Das sie nach so kurzer Zeit schon in der Lage war die Inschrift zu buchstabieren erfüllt ihn mit Stolz.

"Und wie ging es weiter? Und heiße ich Manyla nach dieser Fremden, die mit Arwen das Karökya-Massaker überlebt hat?" fragte seine Älteste ihn schüchtern.

"Ja, Manyla" antwortete Kaylo ihr. "Du siehst ihr auf rätselhafte Weise ähnlich. Ich habe das auch erst kurz vor deinem Namensfest erfahren. Es gibt ein altes Gemälde, es hängt im alten Haus im Wäldchen und darauf sind Arwen, Manyla, Kurva, Oriwen und Shany zu sehen. Manyla hatte rotes Haar und grüne Augen. Genauso wie du."

Kaylos Gedanken wanderten mal wieder in die Vergangenheit. Im kleinen Wäldchen am Mondsee stand das alte Haus. Dort hatten Arwen und seine Leute in den ersten Jahren gelebt. Erst als er seine Bewässerungsanlage fertiggestellt und seine Felder angelegt hatte, baute er das große Haus etwas abseits des Sees, in dem Kaylo und seine Familie heute noch wohnten.

"Was ist? Erzähl doch weiter!" unterbrach sein Sohn Kartavu seine Gedanken.

"Ja,es geht ja schon weiter. Arwen und Manyla hatten sich während der mehr als zweijährigen Wanderschaft sehr aneinander gewöhnt und sich liebgewonnen. Als Arwen das kleine Haus als Wohnstatt fertiggestellt hatte, fragte er Manyla ob sie seine Frau werden wollte. Sie stimmte zu, dann opferten die beiden den Göttern ein Schaf und vermählten sich. Heute macht man das im Tempel und ein Priester segnet die Verbindung. Aber damals war der nächste Tempel mehrere Tagereisen entfernt und so regelte man Angelegenheiten wie Hochzeiten oder Namensgebungsfeste ganz allein. Die alte Kurva lebte bei ihnen und sie behandelten sie wie eine Mutter. Die beiden Vettern Arwens, die bei Ankunft am Mondsee erst dreizehn und fünfzehn Sommer erlebt hatten behandelten sie wie jüngere Geschwister. Die Götter waren Arwen und Manyla wohlgesonnen und schenkten ihnen im dritten Jahr nach der Ankunft am Mondsee gleich zwei Kinder, die beide heranwuchsen und das Namensfest erlebten. Damit der Name der alten Siedlung Karökya nicht in Vergessenheit gerät, nannte man sich hinfort von Karökya. Der ältere der Zwillinge Manylas ist euer UrUrgroßvater."

Mit dieser Worten beendete Kaylo die Geschichte. Er wollte aufbrechen um daheim anzukommen, bevor die Sonne ganz untergegangen war. Die Kinder murrten zwar, ließen sich aber mit dem Versprechen, dass der Vater ihnen morgen noch einmal die Geschichte erzählen würde, wie er ihre Mutter kennenlernte, besänftigen. Schwatzend und lachend machte sich die Familie auf den kurzen Weg in das große Haus, das ihnen Schutz und Obdach bot.

Fortsetzung folgt ... "Tavula"
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