Die Geschichte beginnt an einem ganz normalen Tag in Vellhafen im Herbst vor ein paar Jahresläufen. Ganz normal? Ja, ganz normal, wenn man berücksichtigt das die heftigen Herbststürme auf Vellheim und rund um die Insel zu den Wetterphänomen gehören, die jedes Jahr wiederkehren. Die Vellhafener wissen, dass diese Stürme zu ihrer Insel gehören und die Seefahrer, die sich in den hiesigen Gewässern bewegen, kennen und fürchten diese.
Während eines dieser Stürme kenterte ein Segler. Die Vellhafener erfuhren davon durch das angeschwemmte Strandgut. Zwischen Holzplanken, Fässern mit Sauerkraut und Rum und den angeschwemmten Habseligkeiten der Besatzung und der Passagiere des Unglücks wurde auch ein kleines Rettungsboot an den Strand gespült. Einer der Fischer, der den Strand nach noch brauchbaren Dingen absuchte, entdeckt das Boot.
An Bord findet er einen kleinen Jungen, etwa zwei oder drei Jahre alt. Das Kind lag bewusstlos, mit ein paar Stoffbahnen, die offenbar aus dem Unterrock einer Dame gerissen worden waren, an die schmale Ruderbank gebunden, in dem Holzboot. Ebenfalls an die Ruderbank gebunden war ein kleines Bündel aus dem gleichen Stoff, in welchem der Fischer, als er es neugierig aufknotet, ein paar Amulette, einen goldenen Ring, einen alten Schlüssel an einem Lederband und ein Stück Pergament mit seltsamen Schriftzeichen findet..
Der Fischer bringt den Jungen und seine Habseligkeiten zur örtlichen Stadtwache. Einem herbeigerufenen Medici gelingt es zwar den Jungen wiederzubeleben, über die Herkunft des Jungen oder auch nur seinen Namen kann man jedoch nicht in Erfahrung bringen. Das Kind redet ein paar wenige Sätze in einer fremden Sprache als es erwacht. Es verstummt jedoch schnell wieder, als es merkt, dass niemand versteht, was es sagt. Der Stadtrat weist den Jungen ins örtliche Waisenhaus ein und bittet die Kapitäne der Vellhafener Kauffahrerschiffe um Mithilfe um die Herkunft des Jungen zu klären. In den Häfen anderer Länder, die sie anläufen, geben die Seefahrer bekannt, dass ein schiffbrüchiger Junge in Vellhafen darauf wartet, von Angehörigen abgeholt zu werden. Trotz dieser Maßnahmen meldet sich niemand.
So lässt der Stadtrat nach einer angemessenen Wartezeit die wenigen Habseligkeiten des Jungen verkaufen. Man will die Kosten für die Waisenhausunterbringung wenigstens teilweise decken. Nur der alte Schlüssel am Lederband und das Pergament mit den eigenartigen Schriftzeichen findet keine Abnehmer, man gibt sie daher dem Kind als Andenken an seine Herkunft und nennt den bis dahin Namenlosen Marianus ... der aus dem Meer stammende.
Schlecht ernährt und zum Arbeiten gezwungen teilt Marianus fortan das Schicksal der elternloser Kinder Vellhafens, die im örtlichen Waisenhaus unter der Fuchtel eines raffgierigen Ehepaars dazu dienen, deren Geldbeutel zu füllen und den Ruf zu festigen, dass Ehepaar wäre äußerst wohltätig weil es sich um Waisen kümmert.
Die KoJus
Als er etwa sechs oder sieben Jahre alt ist entflieht Marianus aus dem Waisenhaus. Das karge Essen, die harte Arbeit und die Prügel, die dort täglich ausgeteilt wurden, sind genug Gründe für ihn ein Leben auf den Straßen und Plätzen Vellhafens, ohne Obdach und mit der täglich wiederkehrenden Not etwas zu Essen zu finden, vorzuziehen.
Marianus hat Glück. Schon wenige Tage nach seiner Flucht, noch bevor die Herbststürme den Sommer auf der Insel beenden, wird er von einer Gruppe anderer Kinder, die ein ähnliches Leben führen, aufgenommen. Die Kinder nächtigen in einem verlassenen und halb verfallenen Gemäuer in der Seilergasse. Dort schlafen sie, bereiten sich an der Feuerstelle in der Küche des verfallenen Hauses ab und zu ein warmes Essen , meist aus erbettelten oder gestohlenen Lebensmitteln oder spielen auch ganz einfach manchmal miteinander.
Sie halten zusammen, sie helfen sich gegenseitig und sichern so ihr Überleben. Korbjun , ein großer Nordmann, der auf dem Markt einen berühmt-berüchtigten Kräuterhandel betreibt, gibt ihnen den Tipp mit dem Haus. Er steuert auch eine Menge alter Wolldecken gegen die nächtliche Kälte bei und gibt ihnen ein paar Segeltuchplanen als Schutz gegen den Regen, der durch das undichte Dach eindringt.
Er hilft ihnen, wenn sie sich vor den Bütteln verbergen müssen. Dafür hat jedes der Kinder einen Schlüssel für ein Kanalgitter und das Wissen, welche unterirdischen Kanäle sie nutzen müssen, um außerhalb der Stadtmauern wieder ans Tageslicht zu kommen. In der Nähe dieses Ausganges befindet sich im Wald eine kleine Hütte. Diese Hütte, die sich für zufällige Besucher wie die Unterkunft eines einfachen Jägers darstellt, birgt ein kleines Geheimnis.
Als Gegenleistung erledigen sie für Korbjun kleine Botengänge oder stehen Schmiere und helfen Korbjuns Männern bei Einbrüchen und Diebstählen. Der Norlander befiehlt ihnen auch immer wieder einmal zu bestimmten Zeiten und Orten für ein wenig Aufruhr zu sorgen. Meist wissen die Kinder nicht, warum sie das tun sollen, sind aber dankbar für die unbezahlbare Unterstützung des Nordmannes und helfen diesem alle gerne freudig. Sie nennen sich stolz Korbjuns Jungs, die KoJus, auch die Mädchen der Gruppe.
Aus dem Leben eines Taugenichts
Neue Kleider?
RP vom Freitag den 13. März 2015 im Straußengeplauder zu Vellhafen
Marianus trifft auf Failtiel Schwalbenlauf
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