Ausgabe vom Neujahrstag
Werte Vellhafener und Gäste unserer schönen Stadt,
ein gesellschaftliches Ereignis jagt das andere. Kaum sind die Feierlichkeiten des Winterfestes vorbei, ist der Neujahrsempfang der seltsamen Miss Sophie in aller Munde.
Wie in jedem Jahr lädt die alte Dame, deren Herkunft nicht nur den Vellhafenern unbekannt geblieben ist, sondern auch durch Nachforschungen unserer Redaktion nicht erhellt werden konnte, zu ihrem alljährlichen Neujahrsempfang in der Villa de Winter ein. Wie immer wird ihr der alte Hausdiener James, der sie damals, als sie als junge hübsche Frau mit dem Fährschiff aus Strelasa in unserer Stadt ankam, bereits begleitete, die Gäste bedienen. Eingeladen ist offenbar, wie jedes Jahr, jeder Vellhafener und auch die Gäste unserer Stadt. Es wird, auch das ist legendär, niemandem der Zutritt verwehrt, egal ob Adel, Aberteurer oder Straßenjunge.
Unser Chefredakteuer Harmi Wirsch hat den derzeitigen Bewohner des Palais de Winter, den Händler Heiner de Brüggelmann, für den Kurier nach den Hintergründen befragt. De Brüggelmann, ein Förderer der schönen Künste, hat er doch schon seinen Gartenpavillon für eine geringe Miete an Isabella, die Künstlerin, die auch für den Kurier zeichnet, als Atelier vermietet, stellt Miss Sophie Jahr für Jahr sein Palais für den Empfang zur Verfügung.
»Harmi Wirsch: "Herr de Brüggelmann, ihr stellt Jahr für Jahr euer Heim für den Neujahrsempfang der Miss Sophie zur Verfügung. Warum tut ihr das?"
Heiner de Brüggelmann: "Nun, ich kannte Miss Sophie schon als kleiner Bub. Mein verstorbener Großonkel, Pieter de Winter, war ein Verehrer dieser Frau aus fremden Landen und soweit ich weiß, hat er auch dafür gesorgt, dass sie im Alltag gemeinsam mit ihrem Hausdiener James ein kleines Haus in der Ansiedlung an der Küste bewohnen kann. Man munkelt, dass ihn mehr als Freundschaft mit Sophie verband und wenn man sich die Bilder anschaut, die Miss Sophie in der Blüte ihrer Jahre zeigen, kann ich mir das auch mehr als gut vorstellen. " (Der Befragte lachte leise bei diesen Worten.) "Mein Großonkel war ein Kenner schöner Frauen und zu seinen Lebzeiten Miss Sophie sehr zugetan, der alte Schwerenöter. Und ich mochte sie auch als Bub schon, wenn ich in den Ferien meinen Großonkel besuchte, traf ich sie oft im Palais an. Sie schenkte mir jedes Mal ein Handvoll wunderbarer Bonbons, die nach Kräutern schmeckten. Ihr Hausdiener James macht diese Bonbons wohl selbst und sorgt immer dafür, dass sie eine Tüte davon in ihrer Handtasche hat."
Harmi Wirsch: "Also macht ihr das in Erinnerung an euren Großonkel und an eure Jugend?"
Heiner de Brüggelmann (mit schallendem Lachen): "Ja und nein! Der Neujahrsempfang macht Miss Sophie glücklich und bietet mir eine gute Gelegenheit neue geschäftliche und private Kontakte zu knüpfen. Ich habe selten eine derartige bunte Mischung von Gästen getroffen wie auf Miss Sophies Neujahrsempfängen. Also stelle ich mein Heim gerne zur Verfügung. "
Harmi Wirsch: "Ich verstehe. Aber eine Frage treibt mich schon seit vielen Jahren um. Ist euch denn bekannt woher die Miss Sophie und der Hausdiener James stammen? Die Sprache, die die beiden miteinander reden, habe ich nie zuvor gehört und wenn man nach ihrer Herkunft fragt, lächelt Miss Sophie immer geheimnisvoll und weicht der Antwort aus. Wisst ihr da vielleicht mehr?"
Heiner de Brüggelmann: "Nein. Auch ich weiß da nicht mehr als ihr, werter Herr Wirsch. Sie reagierte bei Fragen meinerseits dazu ähnlich wie bei euch. Aber was soll 's? Sie ist eine freundliche alte Dame, die eine Riesenfreude an diesem jährlichen Ereignis hat."
Harmi Wirsch: "Der Kurier dankt euch für eure Auskünfte zum Neujahrsempfang der alten Dame und wünscht euch alle Gute für das neue Jahr und einen schönen Neujahrsempfang für Miss Sophie. Wir sehen uns dort. Mögen die Götter euch wohlgesonnen sein. "«