Seemannsgarn & Wahre Legenden

Das wilde Land der Orkstämme und die freie Stadt Wangalen

Seemannsgarn & Wahre Legenden

Beitragvon Platinum » Fr 13 Jul, 2012 19:03

"Wir blicken aus der Vogelperspektive auf die Stadt Wangalen. Von sehr weit oben. Quasi aus Sicht der Götter, wenn man so will. Aus diesem Winkel und bei dieser Entfernung...nun, man könnte fast behaupten, die freie Stadt inmitten der Orkreiche wirke friedlich. Nun gehen wir näher ran und verweilen dabei mit unserem Blick auf der Hafengegend. Langsam, habe ich gesagt, mir wird sonst schlecht. Ja, gut, sehr gut. Man sieht schon die ersten Dächer und den Rauch aus den Schornsteigen aufsteigen. Ah, und dort die typischen Langhäuser der Nordmänner neben den Steinbauten der Zwerge, vorzugsweise mit einem schönen Keller, aber der entzieht sich unserem Blick. Vorsichtig jetzt, da drüben ist unser Ziel. Etwas mehr links, näher an die Kaianlagen. Oh, Vorsicht mit den Hafenarbeitern, die verstehen hier wirklich keinen Spaß. Welche Tageszeit haben wir eigentlich? Später morgen, gut. Dann sollte er eigentlich da sein. Hmmm... da vorne in der Gasse. Nein, er ist immer da, wo man auch das Meer sehen kann, also müsste er eher... AH, da vorn sitzt er doch! Ja, das ist er. So, sehr schön, wo war ich?

Ein kleiner Stand mittem im Hafenviertel Wangalens. Ein ebenso kleiner Mann mit runzligem, aber gutmütigen Gesicht sitzt dort auf einem Hocker, raucht Pfeife und preist seine Waren an. Ich gebe zu, er ist ziemlich alt geworden, aber du wirst ihn doch wohl erkennen, oder nicht? Meine Güte, wirklich nicht? Das ist Ten-Selek, seines Zeichens größter Seemann, Politiker, politisch Verfolgter, Trunkenbold, Unruhestifter und Sozialist ganz Antamars! Ja, es stimmt wohl, er ist ein wenig in die Jahre gekommen. Ziemlich sogar. Aber der Alkohol hat ihn gut konserviert, so scheint es. Er ist ziemlich viel rumgekommen und war eigentlich Zeit seines Lebens nicht gerade der stille, bescheidene Typ. Nun, wir haben unser Ziel erreicht und jetzt wollen wir also kommentarlos die Szenerie genießen und abwarten, was passiert...

"Eehhhh...", ächzt der alte Ten-Selek und kramt in seinen Taschen. "Wo war denn...?", fährt er fort, greift in die rechte Hosentasche und zieht einige Gegenstände heraus, die er auf flacher Handfläche beobachtet. Dass er seine Augen dabei so stark zusammenkneift, spricht nicht dafür, dass es mit seinem Augenlicht noch sonderlich gut steht. "Was...ääähhh..." Er nimmt den ersten Gegenstand zwischen die Finger der anderen freien Hand und hält ihn sich vors Gesicht. "Sieht aus wie...", kräht er leise vor sich hin und erinnert sich dann an sein Monokel. Vorsichtig schiebt der alte Gnom es sich vor sein Auge und betrachtet dann die Gegenstände eingehender. "Knopf...Münze...Flusen...nanu..?"

"TEN DU RÄUDIGER HUND!", brüllt plötzlich ein Nordmann so groß und dick wie eine Eiche und schlägt mit der Faust auf den Tisch, auf dem der alte Händler seine Waren auslegt. Ten-Seleks Reaktion auf diese Begrüßung kommt prompt: "AAAAHHH, was zum..?", entfährt es ihm, während er vor Schreck vom Hocker und ihm der kleine Gegenstand aus den Händen fällt.
"WAS HAST DU TORGE DA FÜR EINEN MIST VERKAUFT!?", tönt derweil weiter die dröhnende Stimme des Nordmanns über die sonstigen Geräusche am Hafen. Ten erkennt die Stimme und richtet sich langsam aus seiner unbequemen und unfrewilligen Liegeposition auf und zieht sich am Stand hoch. "Meine Güte...äääh...Rogar. Du hast mir einen Schreck eingejagt.", erklärt er und klopft sich den Staub vom Burnus. "Beruhig dich...erstmal. Ja? Hier. Trink was. Also...hmmm...was willst du denn?"
Der Nordmann nimmt den Becher entgegen und trinkt einen Schluck, woraufhin er sich zu beruhigen scheint. Aufmerksamen Beobachtern könnte dies wie eines jener Rituale erscheinen, die sich in regelmäßigen Abständen an allen möglichen Markständen Anterias wiederholen.
"Torge hat dieses Zeug geraucht und jetzt ist er krank!"
"Wer ist Torge?"
"Torge, mein Vetter! Der mit der Axt!"
"Bist du jetzt völlig bescheuert, Rogar? Du hast dutzende Vettern und weißt du wieviele Nordmänner eine Axt haben?"
"Seine Schwester war dabei. Sie hat hier Seide gekauft."
"Oh, an die erinnere ich mich noch gut, jaja, ich weiß wen du meinst. Das war die mit den prallen..."
"SIE IST MEINE COUSINE!"
"Jajaja...meine Güte...schrei doch nicht so Rogar...trink doch noch was...hier...also was ist denn jetzt mit ihr?"
"Nicht mit ihr! Mit Torge! Er ist krank!"
"Und was kann ich jetzt dafür?"
"Na das war das Zeug schuld, was du ihm verkauft hast!"
"Welches Zeug?"
"Dieses verfluchte Kraut!"
"Das ist gutes Kraut.", wehrt sich Ten-Selek gegen die Vorwürfe. "Selbst probiert, alles in Ordnung damit."
"Kann nicht sein, Torge liegt nur da, grinst dümmlich und redet nicht, seit gestern Abend geht das so!"
"Wieviel hat er denn in die Pfeife getan?"
"Öhm....na alles!"

Ten-Selek seufzt und schüttelt den Kopf. Die Verhandlungen dauern noch eine Weile, aber letztlich gibt Rogar klein bei und gibt sich mit dem Met zufrieden, den Ten ihm die ganze Zeit eingeflößt hat und der in Wangalen unerlässlich ist für einen guten Händler. Undzufriedene, zornentbrannte oder schlichtweg betrunkene Nordmänner, die den Stand kurz und klein hauen, sind für Ten-Selek wahrlich keine Seltenheit. Unmöglich diesen Idioten die Feinheiten abajaidischer Rauchkultur beizubringen. Als er alles soweit wieder in Ordnung gebracht hat, nimmt er wieder auf seinem Hocker Platz und entzündet seine Pfeife. "Hmm...da war doch was...", überlegt er noch, aber sein Gehirn ist nach Jahrzehnten des Missbrauchs diverser Substanzen in einen fortwährenden Streik getreten.

"Gute Frau, das ist eine antike, echische Vase, wer antatscht, der kauft!", wimmelt er eine dreiste Kundin ab, die sich erbost abwendet und sucht dann wieder in seinen Taschen. "Wo...war denn...?", murmelt er vor sich hin, als sein Gehirn sich erbarmt und den entscheidenden Hinweis liefert. "Achja..." Er hält sich das Monokel vor's Auge und sucht den Boden ab. Seufzend und ächzend setzt er seine Suche bald in krabbelnder Manier unter dem Ladentisch fort.

"Onkel Ten, Onkel Ten!"
*BONG* "Verdammte...aahhh...." Mühsam hievt Ten seinen Körper auf den Hocker und reibt sich den schmerzenden Schädel, den er sich an der Tischkante gestoßen hat. Ein Rudel wildgewordener Goblins, welche sich nach genauerem Hinsehen als drei ihm gut bekannte Kinder entpuppen, stürmt den Stand und beginnt sofort damit, alles zu betatschen und auf ihn einzureden.
"Wir haben ein riesigiges Schiff gesehen!", meint die kleine Inga mit den blonden Haaren und dem kecken Grinsen.
Der kleine Zwergenknilch Fudin fügt hinzu: "Es war riesig."
"Und ganze viele Waren waren da drin, so viele!" Die letzte Bemerkung stammt vom kleinen Björn, dessen Eltern gut daran täten, ihm von den Vorzügen regelmäßigen Naseputzens zu berichten.

"Na ruhig Blut, ruhig Blut, ihr jungen Wilden!", ermahnt Ten die Rasselbande und klopft hier und da auf den ein oder anderen Finger, der sich an seiner Auslage zu schaffen macht. "Ein Schiff, hm?"
"Ohja, ein ganz großes!"
"Eine Gallone!"
"Das heißt Gallocke!"
"Nein, Gallone!"
"Ganz, ganz viele Kisten mit Sachen drin!"
"Wenn ich groß bin, habe ich auch mal so eins und bin Seemann wie Papa!"
"Onkel Ten, du warst doch früher auch Seemann, hast du mal auf einem großen Schiff gearbeitet?", fragt Inga, woraufhin Ten gewichtig nickt. "Ich...ääh.. bin auf vielen Schiffen gefahren. Große und kleine, schnelle und langsame. Und ich habe jedes Meer und jeden Strand in der ganzen großen Welt gesehen. Und in jeder anständigen Stadt eine Dirne, hehe."
"Wieso hattest du Birnen in jeder Stadt?"
"Was war das größte Schiff?"
"Erzähl uns eine Geschichte, eine Geschichte!"
"Ohja, bitte, bitte!"
"Geschichte!"

Ten macht eine beruhigende Handbewegung und deutet den Kinder, sich doch zu setzen. "Also gut. Welche Geschichte wollt ihr hören?" Die Kinder schauen sich an und der kleine Fudin meint: "Die von Alyra!" Die anderen Kinder nicken zustimmend, als Ten sie ansieht und schauen ihn dann erwartungsvoll an. "Ja, das ist auch eine meiner Lieblingsgeschichten. Also hört gut zu, es war nämlich so..."
Spoiler:
"Oh Manny! Wie Zynisch! Was ist bloß passiert, dass du deine Lebensfreude verloren hast?"
"Ich bin gestorben!"


Die Karikatur ist eine Huldigung, welche die Mittelmäßigkeit dem Genius darbringt.

Oscar Wilde
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Re: Seemannsgarn & Wahre Legenden

Beitragvon ronia » Sa 01 Sep, 2012 10:06

Morghinak hatte sich verlaufen. Es musste ja auch alles so eng auf diesem Marktplatz sein. Dann sah alles gleich aus. Stand für Stand, Gnom für Gnom, Langhaus für Langhaus. Alles sah gleich aus. Wie sollte sie da den Hãndler finden, der das einzig vernünftige Rauschkraut zu verkaufen hatte? Seltsam, dass sie sich keinen Überblick verschaffen konnte, die Halborkin war so klein ja nun nicht geraten. Im Gegenteil, sie wirkte wie eine Heldenstatue,als sie sich mitten auf dem dem Marktplatz platzierte und in alle Himmelsrichtungen starrte, um endlich fündig zu werden. Aber... Nichts! Nichts als eine Rasselbande kleinwüchsiger Kinder, die ihr entgegen rannten, gegen ihren Schwabbelbauch prallten und dann ihren Weg fortsetzten. Einer von ihnen hinterließ einen Streifen Rotz auf ihrem Leinenhemd, wurde sich ihrer Gestalt gewahr und bekam diesen merkwürdig ängstlichen Blick in seinen Augen. Er sah zu, dass er zu seinen Freunden aufschloss. Klasse, dachte Morghinak, dieses Hemd ist das einzige, das mir passt und jetzt ist es versaut. Jetzt darf ich wieder einen Schneider suchen, der Nerven wie Drahtseile hat, mich maßnehmen kann und mir eines schneidert, ohne vorher einen Herzinfarkt zu bekommen...
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Re: Seemannsgarn & Wahre Legenden

Beitragvon ronia » So 02 Sep, 2012 14:05

Einen Schneider, der nicht reißaus nahm, fand Morghinak zwar nicht, dafür aber hatte sie die kleinen Rotzlöffel wieder entdeckt. Sie saßen gebannt vor einem kurzwüchsigen, der im Begriff war, eine Geschichte zu erzählen.

Eine Geschichte, au fein, dachte sich Morghinak und quetschte sich zwischen die Kinder. Die sind aber niedlich. So richtig zum Fressen, süß. Hups, hab ich das laut gedacht? Kann der Kleine mich hören oder warum rückt der so weit weg?

Zudem roch es hier auch nach gesuchtem Kraut. Vielleicht war hatte sie das Schicksal hier her geführt und wenn dabei noch eine Geschichte heraussprang, die sehr spannend oder lustig war, dann würde Morghinak heute vielleicht einen ihrer seltenen tollen Tage erleben. Breit grinsend saß sie da, klatschte eifrig in die Hände.

"Ja fein, eine Geschichte, was war mit dieser Alyra, ich wills auch wissen!"
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