Leandro della Viscani
Nur der Anfang
Der Raum ist kalt. Kalt und dunkel. Der Stuhl, auf dem er sitzt, ist hart. Hart und unbequem. Er hatte noch keinen einzigen Augenblick geschlafen, seitdem er das Schiff verlassen hatte, das ihn aus Westendar zurück in die Heimat nach San Aurecciani gebracht hatte, nachdem er von dem Attentat gehört hatte. Doch im Hafen hatten ihn schon Männer erwartet. Gerüstete Männer mit dem Wappen ihrer Majestät. Sie hatten keine Fragen gestellt, sie hatten ihn nicht gebeten, man hatte ihn mitgenommen. Er hatte sich nicht geweigert. Wie hätte er sich auch weigern können? Man hatte ihn zu einer Kutsche gebracht, doch diese fuhr nicht zum Kaiserpalast. Man hatte ihn direkt in das Castello Valeriani gebracht, die Trutzburg auf dem Panaro, dort wo man die Hochverräter hin brachte. Hatte man ihn verhaftet? Ihn? Nein. Nein, das konnte nicht sein. Sie konnte unmöglich annehmen, dass er in diese ekelhafte und widerwärtige Verschwörung verstrickt war. Einige Stunden sitzt er nun schon hier. Die Tür öffnet sich und das Licht blendet ihn. Eine Frau tritt herein. Sie setzt sich nicht. Das Licht verschwindet. Die Tür wieder geschlossen. Die Frau spricht, doch es ist ihre Stimme, ihre Zunge, mit der sie spricht, doch ist sie es nicht. Geht es ihr gut? Es muss so sein, sonst hätte sie sie nicht schicken können. Er blickt die Frau an und nickt. Sie hatte ihn einst die Gnade gewährt, ihn aus seinen Pflichtne zu entlassen. Und nun rief sie ihn zurück. Es war ihr Recht. Er folgt ihrem Willen.
"Ja." Seine Stimme ist klar und fest. "Ich habe verstanden. Ich werde meinen Platz wieder einnehmen."
Er nickt. Eine Urkunde wird überreicht, reich verziert, persönliche Vollmacht Ihrer Majestät. Sie gab ihm die Schlüssel, die Schlüssel der Macht. Befugnisse, die selbst die eines Herzogs überschritten, in gewisser Hinsicht. Die Frau sieht ihn einen Augenblick an, dann dreht sie sich um, verlässt wieder den Raum. Auch nur eine Dienerin. Doch er hatte wieder eine Aufgabe. Und blieb alleine zurück. Die Tür öffnet und schließt sich wieder. Stille umfängt ihn, ebenso wie die Dunkelheit. Der Stuhl war noch immer hart und ungemütlich.
Ich werde sie richten. Ich werde die Schuldigen finden und richten. Der Gedanke formte sich in seinem Geist, wie Gewissheit des Unvermeidlichem.
"Ich werde ihr Richter sein. Und sterben werden sie auf mein Geheiß."
Hart klang die Stimme. Er stand langsam auf.
"Ich werde sie vernichten. Sie und ihre Erinnerungen. Nichts soll von ihnen übrig bleiben."
Sie würden sterben. Manche auf Plätzen. Manche hinter dunklen Mauern. Aber sie würden sterben. Es ist nur der Anfang.
"Das ist nur der Anfang."
Er geht zur Tür, sie öffnet sich für ihn. Schwere Schritte hallen durch dunkle Flure. Zwei Soldaten folgen ihm. Die Festung hat viele Wege, doch er kennt den seinen. Er war zurück in der Heimat. Und er war wieder... Leandro della Viscani, Staatsprocurator des O.I.A.A.