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Arlin Vito

BeitragVerfasst: Sa 04 Feb, 2012 01:59
von ArlinVito
Was für eine Verschwendung! Das war eine Weile lang der vorherrschende Gedanke Arlin Vitos. Eigentlich nicht verwunderlich, den so viele Strapazen schienen umsonst. Wochenlanges Reisen als unterprivilegierter Passagier auf einem Schiff, Piraten, Riesenkraken, Stürme, Klabautermänner… und nicht zuletzt die wenig Magenschonende Seekrankheit – dazu die scheinbar endlose Schmach, dass die zierliche, blonde auretianische Schönheit, wegen der er überhaupt diese lange Reise angetreten hat, ihn während der ganzen Zeit nicht eines Blickes gewürdigt hat.

Dabei hat er sich so sehr bemüht neben der auszehrenden Arbeit auf dem Schiff doch noch irgendwie in ihre Nähe zu gelangen. Aber es gibt eben Bereiche auf so einer Karavelle, die den adligen Passagieren allein vorbehalten sind. Es zeichnete sich auch zusehends ab, dass die adrette Grafentochter wenig Ambitionen hatte, den aufregenden Moment der Verruchtheit und Gefahr zu kosten, und sich auf ein Anbandeln mit einem Standlosen einzulassen. Für die einfachen Matrosen hatte sie offenkundig nur Verachtung und Ekel übrig und für anderes Gesindel noch weniger. Und Seemann ist Arlin nun wirklich nicht. Der Punkt einer letzten vagen Hoffnung, die anmutige Adlige in irgendeiner Form zu gewinnen, war auch schon lange vergangen, als sich bei ihm eher Verwunderung darüber breitmachte, wie man sich gegenüber anderen Menschen so ungleich fühlen kann.

Die Letzte Attraktivität verlor sie an jenem Mittag, als der arme Sigurd aus der Takelage stürzte und sein Kopf auf den Planken zerbarst. So schrecklich, wie dieser Anblick für Arlin war – er konnte Sigurd schon nach wenigen Wochen recht gut leiden – so sehr schien ihn die kleine wie kaltherzige Contessa Madeleinne zu amüsieren. Schadenfreude in Angesicht eines tragischen und tödlichen Unfalls war trotz der Fülle an vorhandenen Gesetzen von der Obrigkeit nicht verboten. Sehr wohl aber wäre es strafbar gewesen sie ob ihres unmoralischen Sardismus zurechtzuweisen. Aber es wäre ohnehin viel weniger Arlins Art gewesen als sie – und dieses ganze Unterfangen – still zu bedauern.

In Genova angekommen war es endlich Zeit diese Passage hinter sich zu lassen. Nicht nur die Schiffspassage, sondern überhaupt die ganze Gesellschaft aus betrunkenen Matrosen, die Contessa, das Selbstmitleid und die Reue über eine vermeintlich falsche Entscheidung. Denn es war keine falsche Entscheidung hierherzukommen. Es war lehrreich: Sich von Äußerlichkeiten nicht Blenden zu lassen und dass jede Erfahrung im Leben einen Wert hat, der nicht mit Gold aufzuwiegen ist – ganz besonders, wenn man sowieso weder Heim noch echtes Ziel hat – das sind Einsichten, die Arlin nicht vergessen wird.

Darüber hinaus scheint dieser milde Landstrich unfassbar schön zu sein…

Fortsetzung folgt...

Re: Arlin Vito

BeitragVerfasst: Sa 04 Feb, 2012 16:26
von ArlinVito
Wochen und Monate vergingen, und die Reise ging südwärts, abwechselnd durchs Inland und an der Küste entlang. Arlin genoss das Klima jedoch erst in vollen Zügen, nachdem er eine Weile die auretienischen Kerker bewohnen durfte. Fehlende entrichtete Jagdsteuer und Landstreicherei – von der Unsitte es zu bestrafen, wenn man in den Wäldern mit harter Arbeit seinen Lebensunterhalt bestritt, hatte Arlin schon gehört, aber hier war es besonders schlimm. Offenbarte traute man seiner Profession hier nicht besonders. Inzwischen offenbarte sich auch an anderer Stelle, wie anders Auretianien ist. Oh ja, eine völlig andere Kultur, hätte vielleicht so manch anderer gesagt – aber nein, die unterscheidet sich letztendlich wenig. Die Menschen benutzen bisweilen andere Gerätschaften und die Städter befinden andere Nichtigkeiten als wichtig, als die Nichtigkeiten in der alten Heimat. Was ihn viel mehr erstaunte, war die Angst gegenüber der Natur und der Wildnis, welche die Menschen hier gepackt zu haben schien. Städter und Bauern hielten gleichermaßen Abstand vor den Waldrändern, geschweige denn sie zu betreten und Wölfe wie allerlei anderes Ungeheuer überschwemmten angeblich das Land. Erde sei schmutzig, hat er einige Bürger sogar sagen hören, wenn er auf dem Markt einer Stadt seine Häute verkaufte – sicherlich, vielleicht auch bisweilen inspiriert durch seine Erscheinung. Arlin wusste schon, dass sein Auftreten hier bestenfalls als archaisch gelten durfte. Aber trotz der Tatsache, dass es weit gefährlichere Barbaren als einen einfachen Wanderer aus dem Kaiserreich gab, schienen die Menschen zu glauben, dass etwas Unheimliches aus ihren Wäldern in ihre Städte zu kriechen begann. Und diese Idee schien völlig widersinnig, besonders wenn man Natur und Klima Auretaniens mit dem Graulands oder, sagen wir, dem Aivarunenlande verglich. Das hier war das Paradies. Noch dazu eines, indem riesige Städte Tor an Tor gebaut waren. Sicherlich, auch er ist auch hier schon einem verhungertem Wolf begegnet, aber solche Erscheinungen sind eher ein Zeichen dafür, dass die Wolfshatzen hier recht erfolgreich waren.

Arlins Wanderung verlief inzwischen über Vidoque nach Droux. Da die Gerüchte in diesem Landstrich hartnäckiger wurden – und er aufgrund irgendwelcher Ängste schon das ein oder andere Mal angefeindet wurde – beschloss er die Stadt eine Weile zu betreten und sich umzuhören, was es mit den Geschichten auf sich hat.

...

Re: Arlin Vito

BeitragVerfasst: So 05 Feb, 2012 17:14
von ArlinVito
Eines war schnell klar. Die Menschen von Droux brauchten Hilfe, waren aber zu ängstlich oder zu Stolz einfach jedwede Hilfe anzunehmen – oder zu misstrauisch. Arlin machte sich nichts vor. Natürlich war er weit davon entfernt, einer dieser besungenen Helden zu sein, die diese Geschichten von Morden, Werwölfen in der Kanalisation und wer-weiß-was-noch einfach im Alleingang aufklären könnten. Außerdem gab es bestimmt bereits Leute, die sich damit beschäftigten. Diese galt es aber zu finden um seine Hilfe anzubieten. Arlin fühlte sich nicht direkt „berufen“ – nur ein naiver Kleingeist würde sich besonders selbstlos und heldenmütig dabei vorkommen. Es gab bessere Gründe das zu tun: Die Geschehnisse wären in irgendeiner Form auf ihn zurückgefallen, hätte er nicht die Initiative ergriffen, davon war er überzeugt. Entweder würde er von den stetig misstrauischeren Bauern irgendwann aufgeknüpft werden – es wäre nicht das erste mal, dass als Sündenböcke zuerst die „Fremden“ und „Anderen“ erklärt werden – oder er würde irgendwann selbst Opfer mysteriöser Bestien bei seinen Streifzügen durch die Wälder. Darüber hinaus war die Ausgangssperre, die inzwischen über Droux verhängt wurde, mehr als hinderlich, egal was er nun vorgehabt hätte.

Hier und dort trug er sein Anliegen vor. Als logische Konsequenz war es letztendlich die Stadtwache, die sein Gesuch zumindest als ernstgemeinte Bewerbung als Milizionär verstand. Alles andere wäre auch unvernünftig für alle Beteiligten gewesen. Als „Werwolf-Jäger“ eine Anstellung zu suchen wäre genauso lächerlich gewesen, wie diese Stelle auszuschreiben. Ein Unteroffizier bekundete schließlich Interesse, auf Grund der jüngsten Anordnungen, seinen Trupp mit einigen Hilfswachen zu verstärken und Freiwillige wie Arlin kamen ihm Recht. Da ihm aber die nötige Befugnis fehlte in einfach ans Tor zu stellen, begannen die Formalitäten. Und die waren anfänglich zäh: Zuständige waren angehalten verschwiegen und vorsichtig zu sein und die Hilfsbereiteren waren nicht zuständig, et cetera…. und so wurde das Gesuch bestimmt ein Duzend Male zwischen Wachen, Offizieren und niederen Beamten hin- und hergeschoben.

So kam es, dass Arlin irgendwann vor dem Vogt Arlequin Tourment Rarécourt persönlich sein Angebot unterbreiten durfte. Dankbar ob dieser Ehre (und auf Grund der Tatsache, dass er in den letzten Tagen schon zu Oft seine Bitte formuliert hatte) hielt er sich kurz und gerade heraus. Und siehe da, der Vogt, am Rande seiner Geduldsschwelle mit so etwas behelligt zu werden, da er offenbar mit dieser Sache alle Hände voll zu tun hatte, überstellte ihn kurzerhand einem seiner Hauptleute. Sehr befristet und als reiner Hilfs-Milizionär konnte er so der Stadt ein wenig dienlich sein – und er hatte einen guten Ausgangspunkt für seine Nachforschungen.

Es war nicht der erste Dienst bei einer städtischen Garde für Arlin. Gerade außerhalb der Jagdsaison war es auch früher schon eine erträglich bezahlte Arbeit. Es war daher nicht schwer seinen Hauptmann zu überzeugen, dass er die mindeste Erfahrung am Schwert und die solide Kenntnis der wichtigsten Gesetze aufbringen konnte. So kam es, dass er einige Nächte am Armentor ganz gewöhnlichen Wachdienst hatte. Er begann Augen und Ohren offen zu halten und meldete sich vornehmlich für die Nachtwache...

Re: Arlin Vito

BeitragVerfasst: Fr 10 Feb, 2012 05:01
von ArlinVito
Der Plan ging auf, und das gleich schneller und heftiger als es Arlin je hätte voraus sehen können. Es vergingen nur wenige Tage am Armentor, bis er in den Strudel der Ereignisse in Droux hinein gezogen wurde.

Als Constantin und Deoria kurz bevor die Tore geschlossen wurden unbedingt noch eilig die Stadt verlassen wollten, wurde er bereits aufmerksam - Dennoch hätte er dieses ungleiche Paar vermutlich nicht als genau die Personen erkannt, die er zu finden trachtete. Constantin wäre bei beiläufiger Betrachtung doch nur irgendein junger, arroganter Stutzer gewesen, der seine jüngste Eroberung in die Nacht entführen will und deshalb alle Warnungen, über Gefahr in der Dunkelheit in den Wind schlug. Seine Begleitung dagegen war durchaus eine ungewöhnliche Erscheinung, aber letztendlich alleine nicht zu ungewöhnlich für eine so große Stadt wie Droux.

Es war nicht nur eine Sache, die langsam in Arlins Unterbewusstsein sickern ließ, dass er diesen Personen heute Nacht folgen sollte. Es war die Fülle von kleinen Details - von Anspielungen im Gespräch, das sich aus der Routine sie am Tor anzuhalten, ergeben hatte, gepaart mit dem Auftauchen einer Nergaritin, die ungewöhnlich bereitwillig und auffällig mit diesen Leuten zu tuscheln begann. Ein Grüppchen, so ungleich, so voller verschwörerischer Gewissheit und Zielstrebigkeit …. Sie hatten etwas vor, etwas das eine „Wache“ nichts anging. Weniger Indizien als diese reichten aus, den wachhabenden Ritter des O.I.A.A. am Tor zu überzeugen, diese Leute zu beobachten – zumal Arlins Dienstzeit an diesem Abend sich ohnehin dem Ende neigte. Ab diesem Moment war das Schicksal besiegelt gewisse Dinge zu erfahren.

Aber noch nicht sofort. Daran der Gruppe heimlich zu folgen war nicht zu denken. Sie schienen dergleichen schon zu ahnen, oder hatten bereits Erfahrung mit so etwas – Arlin zog es früh vor, offen seine Hilfe anzubieten. Zusätzlich wollte auch noch der alte Scaletta schließlich als der fünfte im Bunde ebenfalls dem Vorhaben beiwohnen. Die Zeit drängte offenbar und da die Situation verschiedenster Interessen damit hinreichend kompliziert war, wehrte man sich zu halbherzig gegen Arlins Anwesenheit, so dass er offen folgen konnte.

Der kurze Bericht, den Arlin am nächsten Morgen zu Protokoll zu geben hatte, gab nicht hinreichend wieder, was wirklich am Strand geschah. Ein Auszug des Hauptinhaltes daraus las sich wie folgt:

„[…] Aufsicht am Armentor führten Chevalier Bertrant laCroix, O.I.A.A. und Sergeant Adam Pierrot der Stadtgarde von Droux. Die weiteren wachhabenden Gardisten waren im einzelnen: […].

Der Hilfs-Milizionär Arlin Vito (siehe Sammel-Akte XVII ‚Truppenverstärkungen’, Liste IV) hatte an diesem Tage Wachdienst am Armentor bis zur zweiten Abendstunde. Kurz vor Verriegelung des Armentores führte er eine letzte Kontrolle an zwei unbekannten Verdächtigen durch, zwecks Feststellung von gültigen Passierscheinen. Beschreibungen der Verdächtigen hängen dieser Akte an (Anhänge II und III). Die Kontrolle konnte Aufgrund einer rechtsgültigen Bürgschaft von Nergaritin Qadr el Mina al Mahadi (Verweis zur Akte in Anhang VII) nicht zu Ende geführt werden. Die genannten Verdächtigen und Nergaritin Qadr el Mina al Mahadi passierten das Armentor.

Nach Berichterstattung an Chevalier Bertrant laCroix, O.I.A.A., wurde Arlin Vito die Erlaubnis erteilt, den Dienst der Nachtwache in dieser Nacht zu verlängern zwecks Observation der Verdächtigen. Weitere Maßnahmen des Chevalier sind nicht zu Protokoll gekommen.

Arlin Vito verfolgte die Gruppe durch das Armenviertel bis zum Strand. Diese verhielt sich währenddessen in gesprächiger und mutmaßlich spazierender Art und Weise. Dem Inhalt der Gespräche konnte Arlin Vito im Einzelnen nicht folgen.

Am Strand wurde die Gruppe höchst offensichtlicher Spuren eines Ereignisses außergewöhnlicher Art gewahr. Zu erkennen waren zerwühlter Sand und zertrümmertes Gestein. Eine genaue Beschreibung dieser Spuren war Arlin Vito nicht möglich, da er diese nur aus der Ferne und in Dunkelheit wahrnehmen konnte. Dennoch gab er zu Protokoll, dass diese ohne bessere Kenntnis ‚möglicherweise magischen Ursprunges’ gewesen sein könnten.

Nergaritin Qadr el Mina al Mahadi veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Ortes und die Sicherung durch den Orden der Nergariten (Verweis zur Akte in Anhang IV). Arlin Vito setzte unterdessen den wachhabenden Gardisten am Strand in Kenntnis und beendete den Wachdienst außerplanmäßig zur Mitternachtsstunde.

Gezeichnet,

Arlin Vito – […]“


Am Strand galt es einen Druiden zu treffen, hieß es – und das Zusammentreffen war dramatisch.

Fortsetzung folgt….