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~ Ein Tag, der alles veränderte ~
Es war einer dieser eisigen Wintertage, der das Leben der kleinen Isabella von einem Schlag auf den anderen verändern sollten.
Der Schneesturm, der des Nachts durch die Stadt tobte und die ersten dicken Flocken durch die Straßen und Gassen Eisentrutzes wirbelte, hatte sich am Morgen gelegt und für Isabella gab es nach dem Mittagsmahl kein Halten mehr.
Freudig und fasziniert von dem traumhaften Bild, was sich ihr darbot, verließ sie mit ihrer Puppe Mia das Haus ihrer Eltern und machte sich daran, die gepuderte Welt zu erkunden. Die Fensterscheiben der Häuser waren von außen vom Schnee wie gepolstert, und von den Dächern stürzten hier und da sogar ganze Haufen der weißen Pracht hinab und verwandelten einige Passanten, die gerade zur falschen Zeit am falschen Ort waren, in lauthals keifende Schneewesen.
Isabella konnte bei diesem Anblick nicht an sich halten und bekundete ihre Freude über deren Aussehen mit einem herzhaften Lachen. Nie hätte sie auch nur einen Moment daran gedacht, dass die liebevolle Verabschiedung ihrer Eltern zuvor, die letzte Zärtlichkeit sein würde, die sie von ihnen erhielt.
Während die Großen stets vermieden, auch nur einen Fuß in der dicken Schneedecke versinken zu lassen, die sich rechts und links an den freigeschaufelten Wegen entlang zog, tobte Isabella mit anderen Kindern darin herum und vergaß die Zeit. Erst als die Dämmerung einsetzte und die oberste Schicht des Schnees so fest geworden war, dass jeder Schritt nunmehr kein knirschendes, sondern ein knackendes Geräusch erzeugte, spürte der kleine blonde Wirbelwind, wie eisig kalt es eigentlich war und machte sich zitternd auf den Heimweg - vorbei am Marktplatz… weiter an dem schönen großen Haus mit dem funkelnden Schild über der Tür… dann in die Gasse einbiegend, die auf der Seite liegt, in der sie beim Essen immer den Löffel hält… das Haus mit dem großen, grünen Holztor passierend, hinter dem zwei Kläffer immer lautstark bekundeten, dass es sie gibt, wenn jemand vorbei läuft… und letztendlich an dem Haus vorbei, an dem der Onkel immer den ganzen Tag am Fenster hockt und Rauchzeichen mit seiner Pfeife gibt…
Schon von Weitem sah die Kleine den Pferdchenwagen und so komische Onkels in schwarzen Sachen, die emsig Möbel und andere Dinge aus dem Haus trugen und auf den Wagen luden.
Isabella, die nie Bekanntschaft mit üblen Gesellen gemacht hatte, war zwar etwas verwundert, aber dachte sich dennoch nichts dabei, schließlich sprachen ihre Eltern oft davon, dass sie bald wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Von kindlicher Wissbegierde und aufkommender Vorfreude getrieben, stiefelte sie einfach schnurstracks zu dem einen Onkel, der wild mit den Armen herumfuchtelte und offenbar den anderen begreiflich zu machen versuchte, dass sie sich beeilen sollten. Erst als sie vor ihm stand und zu dem Onkel aufblickte, verfinsterte sich ihr Blick.
Der Onkel is wirklich komisch. Hat der das Tuch von dem Mund, weil er sich nicht die Zähne geputzt hat oder die so eklig aussehen? Der macht das bestimmt, damit wir uns nich erschrecken…, dachte Isabella und sprach ihn trotz des nicht gerade freundlich wirkenden Aussehens an: “Hey, du… bringt ihr jetzt unsere Sachen zu dem großen Boot?… und und und… wo sind denn Mama und Papa?”.
Der seltsame Onkel schien nicht sehr viel Luft durch das Tuch zu bekommen, denn mit einem Mal weiteten sich seine Augen und wurden beinahe doppelt so groß wie vorher, während er tief Luft holte und dann erst einmal irgendwas Unverständliches brabbelte.
Isabella hatte nicht direkt vor dem Onkel Angst, aber zumindest davor, dass er vielleicht dolle krank ist und sie ansteckt. Also wich sich lieber einen Schritt zurück und bemühte sich, seinen Worten aufmerksam zu lauschen, die nicht gerade nett und durch das Tuch vor dem Mund ziemlich undeutlich für die kleinen Mädchenohren klangen. Dabei sah der Onkel mit drohender Miene auf ihre Puppe, sodass Isabella diese instinktiv noch fester an sich drückte und nickte, ohne einen Hauch von Widerworten von sich zu geben.
Ja, warum sollte sie auch widersprechen?
Sie wusste, wie sehr sich ihre Eltern freuten, endlich wieder in die Heimat zu ziehen. Auch wenn sie nicht verstand, warum beide heute vor ihr ins Bett gegangen waren, wie der Onkel sagte, würde sie sie natürlich schlafen lassen, und dass sie niemanden erzählen würde, dass die Onkels da waren und ihre Sachen schon zu dem großen Boot bringen würden, war auch klar.
Sie wollte auf keinen Fall, dass das Boot zu voll wird und sie keinen Platz mehr haben. Es war also völlig unnötig, ihr anzudrohen, wiederzukommen und Mia auch noch mitnehmen zu wollen. Verwirrt und ein wenig wütend über die Drohung des Onkels, sah sie dem Pferdchenwagen nach und ging ins Haus…
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