Abschriften von folgendem Pergament finden sich in letzter Zeit häufiger zwischen ein paar Bücher gesteckt in den Bibliotheken und als kleine Handzettel auf öffentlichen Plätzen im Gebiet des Imperio. Wer sich genauer umhört oder einen der Anschläger erwischt, der wird vielleicht erfahren, dass ein Seemann, Ten-Selek mit Namen, welcher vor kurzem durch einen günstigen Handel an großes Vermögen kam, große Geldsummen bezahlt, um sie verteilen zu lassen.
Wer den Mann allerdings kennen lernt, dem wird schnell klar werden, dass er wohl kaum der Urheber dieser Worte sein kann, muss man doch daran zweifeln, ob er überhaupt in der Lage wäre, einen Federkiel richtig herum zu halten...
Eine Botschaft an alle freien Geister und aufrichtige Männer und Frauen des Nuovo Imperio und aller anderen Reiche, welche sich als zivilisiert bezeichnen:
Wieso ist unser Leben nicht selbstbestimmt? Weshalb gibt es eine höhere Autorität, als unser eigenes Gewissen, der wir uns beugen müssen? Die Könige und Kaiser erlassen Gesetze, an welche wir gebunden sind, ob sie uns Recht erscheinen oder nicht. Sie selbst halten sich in den seltensten Fällen an diese Gesetze und meist dienen sie ihrem Vorteil. Kennt ihr nicht solche Situationen, in denen man euch Unrecht getan hat? Gerechtigkeit ist immermehr eine Frage des Blutes und des Geldes. Doch weder angeblich blaues Blut - in Wahrheit fließt in den Adern der adeligen, auretanischen Bevölkerung das gleiche Blut, wie durch den Körper eines Winzers aus dem Südmeer - noch schnöder Mammon sollten es sein, die andere dazu auszeichnen, die Geschicke unserer Welt zu leiten.
Vielmehr sollten Vernunft und Besonnenheit Werte sein, die uns wohlgefallen.
Von Auretian I. bis zu Alena II. D'Amante, woher nehmen die Könige und Kaiser ihre Macht? Wer gab sie ihnen und welchen Anteil hatte das Volk daran? Die Antwort ist einfach: Sie oder ihre Vorfahren haben sich diese Macht mit Gewalt genommen und verteidigen sie mit eben selbiger. Nicht Edelmut, Menschenverstand und Barmherzigkeit schaffen einen Kaiser, sondern Brutalität, Machtgier und Verlogenheit! Erstere drei schaffen einen aufrichtigen Menschen und derer gibt es wenige in den Reihen des Adels.
Wielange sollen diese Zustände anhalten? Wielange sollen Ungerechtigkeit und Willkür die Ländereien Antamars heimsuchen? Hört auf euch zu verbeugen und hebt euren Kopf, auf dass ihr sehen möget: Freiheit muss man ergreifen.
Seid frei im Geiste. Erkennt sie nicht an die Institutionen, die man schuf, um euch zu knechten. Wenn sie das nächste mal euere hartverdienten Gulden wollen, um damit die königlichen Schatzkammern aufzufüllen und seine Durchlaucht zu erfreuen, dann verweigert die Herausgabe. Wenn sie das nächste mal Soldaten schicken, eure Söhne und Töchter mitzunehmen, um ihre Leben in einem ungerechten Krieg anstelle ihrer eigenen zu verpfänden, wie Seelenräuber, die sie sind, dann versteckt eure Kinder und lasst sie nicht ziehen! Und wenn sie kommen, um euch zu inhaftieren und über euch zu urteilen, dann erhebt euch und kämpft für die Freiheit!
Libertad Eterna!
ÁV
Die Unterschrift und die Tatsache, dass die letzten Zeilen im Westendarer Aurento geschrieben wurden, lassen Hinweise auf die Abstammung des Autors zu. An manchen Ecken des Imperio kann man plötzlich ein neues Wort hören, wenn man aufmerksam durch das ein oder andere Armenviertel geht. Bisweilen taucht es auch in Handwerkervierteln auf, meist gemurmelt, wie eine besonders gefährliche Beschwörungsformel.
"Rivoluzione" oder auch
"Revolución" und es mag kaum noch verwundern
"Révolution"
Dieser Gedanke, dieses Wort, ist wie ein Stück glühender Kohle, das man in im Hochsommer in einen Wald wirft. Wenn es an der richtigen Stelle zündet und nicht schnell genug ausgetreten wird, entsteht ein Flachenbrand ...und am Ende steht der ganze Wald in Flammen.