Wanderschaft

Wanderschaft

Beitragvon narrenblut » Di 05 Jan, 2010 04:30

"Kapitel I"

[...]Und er zog über viele Stunden durch die Wüsten Eriath. Seine Lunge brannte vor Durst, seine Augen schienen geradezu ausgetrocknet und nichts hielt ihn mehr am Leben, als dieser kleine Funken Hoffnung, seine geliebte Liliantha doch noch einmal in den Armen zu halten.

Doch nach Stunden zehrender Schmerzen konnte auch sein unerbittlicher Wille ihn nicht mehr auf den Beinen halten und er brach zusammen im heißen Wüstenstaub. Immer wieder sah er das fiese Grinsen des einäugigen Banditenkönigs vor Augen, als er seinen Wasserschlauch vor ihm im Sand entleerte. Er spürte den Sand auf seiner Zunge, als er der Halluzination gefolgt und zwischen seinen Lippen das vermeintliche Wasser einsog, keuchte und spuckte so viel wie wieder aus, wie er nur Kraft entbehren konnte und versank schließlich in halluzierendem Wahn.


Lorm legte eine kurze Pause ein, um die Spannung zu erhöhen, während das Feuer sein Gesicht in der Dämmerung beschien und er über die vielen Augenpaare blickte, die ihm entgegneten. Gebannte Kinderaugen blickten ihn erwartungsvoll an - naja, die Jüngsten blickten voller Spannung. Er war ehrlich mit sich und wusste, dass er genauso nur ein zweitklassiger Erzähler war, wie er in allem höchstens zweiter Klasse war. Während er also im Hintergrund etwas ältere Kinder flüstern hörte: "Goliathen gibt es doch gar nicht. Habe ich ja noch nie von gehört:" - und er sich eingestand, dass die Kinder wahrscheinlich recht hatten, denn meistens erdachte er sich schnell die Monster, die er für seine Geschichten brauchte - versuchte er sich ganz auf die Kleineren zu konzentrieren, die noch leicht zu beeindrucken waren und fuhr seine Geschichte fort.

Das war der Tag, an dem ich ihn traf ...

So erzählte er davon, wie er den Helden der Geschichte - er umging seit einer gewissen Zeit den Namen, denn er hatte ihn glatt vergessen und wollte nicht dabei ertappt werden, einen falschen zu nennen - gesund pflegte, ihn schließlich begleitete und den Kampf gegen den gewaltigen, schuppenbesetzten Goliathen beobachtete, der seine Liliantha geraubt hatte und die Lande terrorisierte. Als er seinen Säbel zog, ein paar Ausfallschritte vor tat und den Goliathen enthauptete, bemerkte er mit Genugtuung, wie er zumindest für einen kurzen Augenblick auch die Bewunderung der Größeren auf sich zog.

Einen Augenblick später verfluchte er sich, als er in die entsetzten Gesichter der jüngsten Kinder und einiger Mädchen, die wohl vor allem geblieben waren, weil sie sich auf den romantischen Anteil freuten, blickte. Etwas zu plastisch hatte er den angenagten Leichnam der Liliantha beschrieben. Er war einfach nicht fähig eine heile Welt zu erzählen, in der am Ende alles gut war - wie sollte das jemand können, der einmal in den Dunklen Landen war und seitdem das Schlechte hinter jeder Ecke sah. Manche Mädchen brachten sofort ihre weinenden kleineren Geschwister fort, auch einige Jungen gingen mit angewidertem Gesicht. Nur wenige blieben - und wohl nur, weil sie hofften, dass die Geschichte nicht so endete. Lorm überwand sich und zwang sich die Geschichte wenigstens soweit zu erzählen, bis die letzten Kinder mit ein wenig Hoffnung gingen, dass der Held der Geschichte nicht aufgegeben hatte und nun einen Weg suchte, die Gunst der Götter zu erlangen, seine Geliebte nur noch einmal zu sehen.

Und so endete er ohne die geplante Moral, dass der Held der Geschichte seinen Peiniger, den Banditenkönig verschonte, als er ihn wieder traf. Er ließ etwas seine Schultern hängen und zählte die paar Groschen, die er zwischendurch von ein paar Eltern bekommen hatte.

"Leander muss ein wirklich verbitterter Mann gewesen sein, nachdem ihm so etwas wiederfuhr."

Lorm blickte etwas überrascht auf. Es war ein ausländisch wirkendes Mädchen gewesen, das noch in den Schatten dasaß. Sie schien sich ernsthaft Gedanken zu machen. Lorm überkam das Gefühl von Reue: "Mädchen, denk nicht zu viel darüber nach. Es ist nur eine Geschichte."

"Ja, aber Ihr kanntet den Herren Leander." Eigentlich wirkte sie alt genug, dass sie nicht so naiv die Geschichten eines einfachen Erzählers glaubte, der sich selbst ein wenig Ruhm in einer Geschichte verschaffte. Wie alt war sie? 15? 16? "Und er ist wie die wirklichen Menschen. Nicht so, wie all die Helden, die immer die Welt retten. Erst als ihm sein Besitz genommen wurde, wollte er den Goliathen töten, obwohl er doch schon so viel früher von den Leiden des Volkes gehört hatte. Und ich glaube nicht, dass er Liliantha wirklich geliebt hat. Ihr habt ja erzählt, dass die beiden einfach verheiratet wurden. Ich werde nie so werden, wie Liliantha und mich einfach so meinem Schicksal fügen."

Lorm bekam einen kleinen Schock. Er konnte sich nicht erwehren, seine Geschichten etwas anders zu erzählen, als es die meisten Erzähler taten, die einfach nur das einfache Volk etwas berieseln wollten. Aber hatte er seine Kritik so offensichtlich erzählt - oder war das Mädchen einfach so klug, sie herauszuhören. War sie zu offensichtlich, könnte das in manchen Herrschaftsgebieten wahrlich böse für ihn enden.

Er mochte Helden nicht. Er wusste, wie Helden waren - bzw. er wusste wie mindestens einer wirklich gewesen war und wie sie sehr er sich von dem unterschied, was die Geschichten erzählten. Von diesem schloss Lorm all zu leicht auf alle. Vielleicht war das der Grund, warum sein Vertrauen in die Götter als Gesamtheit doch sehr zu wünschen übrig ließ. Aber wie sollte er trotz seiner umfassenden Kenntnisse der Philosophie nicht so voreilig von einem auf alle schließen, war er doch noch so jung gewesen.

"Herr ..."

"Nenn mich nicht so, Mädchen, ich bin kein Herr", wehrte Lorm etwas zu schroff ab.

Das Mädchen blickte getroffen zu Boden: "Verzeiht ... Ihr saht nur gerade so traurig aus."

Lorm ließ sich etwas erweichen, gab aber immernoch etwas zu garstig und abwehrend zurück: "Schon gut. Denk nicht darüber nach."

"Warum? Weil ich ein Mädchen bin?" erwiderte das Mädchen schnippisch und blickte ihn scharf an. "Oder warum sagt Ihr immerzu, ich solle nicht nachdenken?"

Lorm kniff etwas die Lippen zusammen, erwiderte aber nichts. Er hielt sich nur mit Mühe zurück, das Mädchen davon zu jagen - aber eigentlich fühlte er sich wieder einer dieser Phasen tiefsten Selbstmitleides so nahe und wollte nichts mehr, als im nächsten Gasthaus einkehren, um seine paar Groschen direkt in ein Zimmer und Alkohol umzusetzen.

Sie saßen eine Weile einfach nur da - das Mädchen blickte ihn viel zu durchdringend an.

"Trägst du die Kapuze extra, damit keiner deine spitzen Ohren sieht?", fragte sie schließlich herausfordernd.

Nun war Lorm an der Reihe, das Mädchen durchdringend anzusehen. "Und Mädchen? Warum sitzt du noch hier? Soll ich dir die Geschichte noch schnell zuende erzählen, damit du besser schlafen kannst?" Jetzt wurde er doch wieder garstig und der unheilverkündende Unterton sprach für sich selbst.

"Ihr müsst mir keine Gutenachtgeschichte erzählen, damit ich weiß, dass die Welt schlecht ist. Das haben mir schon ganz andere beigebracht ..." erwiederte sie in purem Hohn und sie führte ihre Erklärung fort. Lorm erstarrte, als er ihre Geschichte in drei Sätzen zusammengefasst hörte und sein Herz brach ein zweites Mal, zersplitterte in tausend Stücke.

Viel zu grob ergriff er sie am Arm, zog sie hinter sich her, während er sie zwang, ihm den Weg zum Waldrand und ihrem Haus zu verraten. Er schlug mit voller Wucht die Tür des kleinen Holzfällerhauses auf und trat hinein. Vier kleine Kinder saßen drinnen, verstummten sofort und schauten ihn mit großen Augen an. Eines brach lauthals in Tränen aus, als Lorm seinen Säbel zog und auf den vollbärtigen, versoffenen, im Stroh liegenden Kerl zustapfte. Er sah rot, während er dem Mann die Klinge unter die Kehle hielt und ihm in purem Zorn erklärte, was es bedeute Vater zu sein. Er bereitete ihm Todesangst...

Natürlich würde das nicht wirklich helfen, aber Lorm brauchte das Gefühl wenigstens irgend etwas getan zu haben. Er schob schließlich den Säbel zurück, drehte dem alten Holzfäller den Rücken zu und verließ mit großen Schritten das Haus. Er hörte das Scharren der Axt, die ein Stück über den Boden schliff, noch ehe die Tür zufiel. Schnell machte Lorm ein paar Schritte weiter hinaus und drehte sich auch schon im Gehen wieder um, um der wuchtigen Holzfälleraxt auszuweichen, die mit einem wutentbrannten Schrei in seine Richtung geschwungen wurde. Er brauchte den Holzfäller nur leicht zu berühren, dass der ein paar Ausfallschritte nach vorne machen musste und fast dabei umkippte. Wieder sah er den Mann auf sich zustapfen, wieder sauste die Axt in seine Richtung - und wieder war es keine Herausforderung ihr auszuweichen. Diesmal war es eine etwas stärkere Berührung und dieses Mal stolperte der Holzfäller gänzlich - und fand sich kaum ein Augenzwinkern, nachdem er seinen Sturz gefangen hatte, mit der Klinge unter dem Hals wieder.

"Ich könnte dich töten und würde es ohne Reue tun, wenn ich nicht wüsste, dass deine Kinder dich noch für irgend etwas brauchen werden." Lorm zischelte fast wie eine Schlange, während sein hasserfülllter Blick den Holzfäller traf.

"Töte ihn", hörte er mit Schrecken oben von einem Baum die viel zu ernste Stimme des Mädchens. Er blickte nicht auf - viel zu erschrocken spürte er sein Herz pochen, dass er so etwas hören musste. Schnell bellte er den Mann an: "Geh nach Hause, du Hund - und sei ein besserer Vater. Rette deine Seele, solange du noch kannst."

Das musste er kein zweites Mal sagen. Der Mann raffte sich auf und rannte zurück ins Haus, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Lorm wendete sich ab und ging los. Hinter ihm hörte er etwas auf dem Waldboden aufkommen. Schnelle kurze Schritte folgten ihm. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer ihm folgte.

"Nimm mich mit", bat das Mädchen mit beinahe flehender Stimme.

"Was erhoffst du dir davon schon? Du schienst eben noch so klug, dass du wissen solltest, dass ich ein einfacher Mann bin, kein Held oder was immer du dir für Abenteuer versprichst."

"Ich will einfach nur weg hier."

"Dafür brauchst du mich nicht. Nimm eine Richtung und geh einfach geradeaus, bis du weit genug weg bist."

"Ich will nicht alleine gehen."

"Geh zurück zu deinen Geschwistern. Die brauchen dich."

Sie keuchte etwas erschrocken. Aus den Augenwinkeln sah er sie nur wild den Kopf schütteln: "Nein, nein. Dahin geh ich nicht zurück.", dann wurde ihre Miene verbissener und vergaß dabei ganz die Höflichkeit, die sie sonst in die Anrede legte: "Und du würdest mich nicht zurückschicken, wenn du nicht möchtest, dass ich zu einer Mörderin werde."

Nun er einen Augenblick sprachlos. So war auch sein dritter Versuch eher halbherzig, als er darauf hinwies: "Du solltest wirklich in einer solchen Welt einfach irgend einem dahergelaufenen Fremden so vertrauen. Du weißt nie, was er vielleicht vorhat." Dabei drehte Lorm sich zu ihr um und blickte sie mit seinen kalten, blass violetten Augen durchbohrend an.

Sie hingegen zuckte nur die Achseln: "Was sollte mir schon noch schlimmeres passieren." Lorm fiel eine Menge ein - aber für heute ließ er sie erst einmal gewinnen. Warum nicht, nähme er sie eben bis zum nächsten Dorf mit. Bis dahin wird sie schon des anstrengenden Wanderns müde sein. Er versprach sich einfach keine Rücksicht auf sie zu nehmen und sie nicht zu schonen, dann würde sie ihm schon nicht zu lange hinterherlaufen ...

"Wie heißt Ihr?", sie riss ihn etwas überraschend aus den Gedanken.

"Lorm. Lorm Sturmtänzer." Er wusste selbst nicht, warum er ihr seinen echten Namen nannte - aber er verdrängte schnell den Gedanken wieder. "Du?"

"Liliantha."

Lorm blickte sie nur einen kurzen Augenblick erstaunt an - entschloss sich dann aber nicht näher darauf einzugehen.
narrenblut
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Registriert: Sa 02 Jan, 2010 21:38
Heldenname: Lorm Sturmtänzer

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