“Laut wie der Sturm
so weit wie das Meer
Hass und Freud neu gebor'n
so ziehst du umher.
Leise versenkt
die Fahne der Freiheit
die Farbe nicht kennt
vorbei alle Zeit
danket dein Säbel dem Wind
der dich trägt...“
Celestine Arguria saß schon seit geraumer Zeit in einer verrauchten Ecke dieser miesen Spelunke im Herzen des Südhafens von Havena und beobachtete die Feier der Seeleute. Während sie ihre Lieder schmetterten und auf dem Tisch zwischen allerlei halb gegessenen Speisen tanzten, schwirrten zahllose Bedienstete um die große Tafel herum und versuchten den Schaden zu begrenzen.
Celestine schüttelte ob der vielen Obszönitäten angewidert den Kopf. Ihre Finger trommelten voller Ungeduld auf dem Tisch. Die Zeit schien mit jeder Minute die sie hier länger saß, langsamer zu vergehen. Sie griff nach ihrem Krug und nahm einen kräftigen Schluck... der nur halb so kräftig ausfiel, wie sie ihn gerne gehabt hätte – schon wieder leer. Ärgerlich wandte sie ihren Kopf herum, in der Hoffnung einem der Kellner noch eine Bestellung mitgeben zu können.
In diesem Moment öffnete sich knarrend die Tür und ein Tulamide in einem langen, schwarzen Ledermantel trat ein. Sein Haar war komplett rasiert und sein Bart zu zahlreichen kleinen Zöpfen geflochten. Chleruv Conce, die rechte Hand vom Käpt'n Nebjev.
Hinter ihm traten noch zwei weitere Männer ein. Einer von ihnen war der Thorwaler Aleif, ein blonder Hüne, dessen Gesicht mit Tätowierungen übersät war, den anderen kannte sie nicht, er schien aber ein Südländer zu sein.
Chleruv drängte sich rücksichtslos durch die Anwesenden zu Celestines Tisch und setzte sich ihr gegenüber. Der Südländer setzte sich neben sie und Aleif blieb stehen.
“Nun, Arguria. Habt Ihr, worum Euch der Käpt'n gebeten hat?“ fragte der Tulamide. Celestine grinste und lehnte sich zurück. Natürlich hatte sie die Informationen besorgt. Auf sie war Verlass und das wusste der Käpt'n auch. Keine Information war sicher vor ihr, wenn nur der Preis stimmte. Und Nebjev zahlte gut.
Sie kramte in der Innentasche ihres Mantels und fischte einen Packen Papier heraus, den sie auf den Tisch fallen ließ. Chleruv sah sich die Dokumente an und grinste schelmisch. “Ihr habt wieder Mal bewiesen, dass Ihr Euer Geld wert seid, Arguria.“ Er verstaute die Blätter in einer Tasche und gab dem Thorwaler ein Zeichen, woraufhin dieser einen kleinen Lederbeutel auf den Tisch legte. Celestine öffnete ihn und ließ die Münzen auf den Tisch prasseln. Ein kurzer Blick; die Bezahlung stimmte. Man würde nicht noch einmal wagen sie zu betrügen.
“Ach ja“, fuhr Chleruv fort,“habt Ihr auch etwas über die Garde des Ratsherren herausfinden können?“ Celestine nickte bedächtig und sah in die fragende Miene des Tulamiden. “Vergesst es, Conce. Diese Informationen sind im Preis nicht inbegriffen. Ihr kennt die Regeln.“
Chleruv funkelte sie wütend an. Er hasste es, wenn jemand nicht nach seiner Pfeife tanzte. Aus den Augenwinkeln sah Celestine, wie der Südländer neben ihr unter dem Tisch einen Dolch in der Hand wiegte. “Natürlich kenne ich die Regeln!“ fuhr Chleruv sie an. „Und ich weiß auch, dass IHR die Regeln nicht macht.“
“Ruhig Blut, Conce.“ entgegnete Celestine ihm mit gespielter Gelassenheit. “Was meint Ihr würde Nebjev sagen, wenn seiner besten Informantin etwas zustößt, weil Ihr Euch nicht an die Regeln haltet?“ Chleruv kochte. Doch wohl oder übel; er musste sich zusammenreißen. “Zahlt sie aus“, befahl er und ein weiteres Mal erhielt Celestine den gerechten Lohn für ihre Arbeit.
Erneut kramte sie Dokumente hervor und legte sie auf den Tisch. “Befehlsstruktur, Anweisungen, Wachwechsel, Kontakte... Das wird mehr sein, als Ihr braucht.“
Chleruv steckte auch diese Blätter ein und nickte. Dann holte er seinerseits einen Zettel hervor und legte ihn auf den Tisch. “Ihr sollt Euch da mal umsehen, Arguria. Ihr wisst ja wie das abläuft.“ - „Wie viel?“ fragte Celestine. “100“, antwortete Chleruv. Celestine nickte stumm und steckte den Zettel ein. Dann erhob sie sich und näherte sich dem Gesicht des Tulamiden. “Heute lass ich Euch die Zeche zahlen. Doch beim nächsten Mal warte ich nicht mehr so lange.“ hauchte sie ihm zu.
Dann ging sie hinaus.