Ein noch schwacher, fein rosiger Schimmer deutet weit im Osten davon, dass die Nacht bald dem Tag weichen würde. Doch entzieht sich die erste schwache Morgenröte der Aufmerksamkeit des Mannes, der mit akribischer Sorgfalt im flackernden Schein einer Papierlaterne seine Ausrüstung und die Gurte am Sattelzeug seines Pferdes kontrolliert. Das flackernde Licht der Laterne lässt den Schatten des Mannes im Gegensatz zu seiner wirklichen Gestalt riesenhaft über den Boden tanzen und verleiht dem weitausladenden Helm, der seinen Kopf schützen soll, groteske Dimensionen. Endlich scheint er zufrieden und führt das Pferd am Zügel aus dem Stall hinaus.
Vor dem Stall angekommen, findet er bereits einen Reiter vor, der ihn ungeduldig erwartet. In kerzengerader Haltung thront dieser auf seinem Heroida-Vollblut, die Beine in hohen Stulpenstiefeln und von weiten Pluderhosen umhüllt. Ein glänzender Kürass schützt seinen Torso und sein Gesicht verbirgt sich im Schatten eines glitzernden Morion, an dessen Seite ein roter Federbausch für Aufsehen sorgt. "Konnichi wa Yoshimura-San", begrüsst der Reiter den Mann, der sein Pferd nun anhalten lässt, da er den Hof erreicht hat. Dieser neigt sein Haupt leicht und erwidert den frühen Gruß: "Konnicha wa, di-Vincenzo-San." Dann steigt er in den Sattel, was gibt ihm auch Gelegenheit gibt, sein Grinsen abzuwenden. Der Akkzent dieses Gai-Jin erscheint dem Mann ebenso belustigend, wie seine prunkbeladene Erscheinung und die lange Nase, die wie ein Zeiger leicht abwärts geneigt, auf ein gepflegtes Spitzbärtchen verweist. Doch als er im Sattel sitzt und sein Gesicht wieder dem Fremdländer zuwendet, ist jeder Anflug eines unhöflichen Grinsens aus seinem Gesicht verflogen.
Ohne weitere Worte zu verlieren bringt ein Schenkeldruck und ein Ziehen am Zügel das Pferd in den Schritt, um die Ställe herum und hinaus aus der Garnison, die hoch oben über der Stadt die nahe Grenze im Norden im Auge behält. Während die beiden Reiter den Weg hinunterreiten, der sich schlangengleich an den Berg schmiegt, hat die Sonne ihren Weg fortgesetzt und lässt nun einen grösseren Abschnitt ihres Kreisbogens in lichtem Rot über dem östlichen Horizont erscheinen, wo der Himmel in der Ferne das Meer küsst. Langsam scheucht sie das Schwarz der Nacht aus dem Tal zu ihren Füssen, in dem die Stadt im Schatten der Berge liegt. Jene noch verschlafene Stadt, die sich eng an das Meer rekelt und gerade erst beginnt zu erwachen.
Das Getrappel der Pferdehufe scheucht einen verschlafenen Hasen auf, der mit weit ausgreifenden Läufen über den Weg hetzt, als wäre der Fuchs hinter ihm her.
Allmählich wird der Weg ebener. Unter den sanft geschwungenen Dächern starren die ersten Häuser aus dunklen Fensterhöhlen auf die beiden Reiter, die wortlos passieren. Eines der Häuser öffnet seine Türe und eine in einen blauen Kimono gekleidete Frau tritt hinaus auf ihre Veranda. Sie gießt einen Zuber Wasser in den Rinnstein aus, der mit leichtem Gefälle zum Hafen hinunter führt. Zu dem Hafen, in dem schon bald geschäftiges Treiben losbrechen wird. Von wo sich der Lärm von den Meisseln der Steinmetze mit den Axtschlägen und dem Sägen der Zimmerleute und dem Stöhnen und Fluchen der Kulis vermischen wird, sich zu einem leichten, arkustischen Schleier verwebt, der sich schon bald leise aber dennoch unüberhörbar über die Stadt legen wird.
Doch noch bleibt das mandelförmige Augenpaar der Frau mit dem Zuber in den Armen das einzige, das sich auf die zwei Reiter legt. Eine Verneigung zollt den Kriegern den geschuldeten Respekt, ehe sie auf ihren schneeweissen Seidenstrümpfen über die achtsam rein gehaltenen, polierten Bretter ihrer Veranda wieder hinter der leichten Schiebetür ihres Hauses verschwindet, die sich mit leisem Schaben hinter ihr schließt. Ungehindert lässt man sie durch das östliche Stadttor in die Stadt hineinreiten.
An der nächsten Kreuzung biegen die Reiter ab und wenden sich der Hauptstraße zu, die von Süden kommt. Je näher sie dem südlichen Stadttor kommen, umso interessierter scheint die Sonne zu werden, die sich nun immer höher erhebt und die malerische Kulisse des nördlichen Inoda zunehmend ausleuchtet. Fast so, als wäre sie neugierig geworden, was dieses ungleiche Paar zu so früher Stunde in die Sättel treibt. Diese Neugier scheint von der jungen Torwache geteilt zu werden, die sich den Reitern in den Weg stellt. Yoshimura greift in seine Tasche und reicht der Wache wortlos ein Dokument. Beim Anblick der Schriftzeichen verneigt sich der Wächter und reicht Yosimura das Dokument ehrfürchtig zurück. Dieser faltet das Papier sorgfältig wieder zusammen und steckt es zurück in die Dokumententasche, die an seinem Sattel befestigt ist. Ein knapper, heiserer Befehl der Wache veranlasst seine Kameraden das Tor zu öffnen, und kaum schwingen die schweren, mit dicken Stahlbändern verstärkten Torflügel bei Seite, geben die Reiter ihren Pferden die Sporen und reiten in leichtem Gallopp nach Süden. Würden sie sich umdrehen, könnten sie die vergoldeten Schriftzeichen über dem Tor erkennen, die dem Ankommenden zu verstehen geben, dass hier der Kô Shikashe Honshitokawa über Kydota und die inodanische Nordflotte herrscht.
Kaum dass die Sonne zur Gänze über dem Horizont erstrahlt, erreichen sie die Kreuzung, an der südöstlich der Weg nach Mitunokashte abbiegt und südwestlich an der Küste entlang nach Nagohamashte. Hier verlassen die Reiter die Hauptstrasse und halten sich direkt nach Süden, an den Ausläufern des Gebirges entlang, dass Inoda von Norden nach Süden durchzieht und eine natürliche Grenze zu bilden scheint, zwischen dem traditionellen Osten und dem eher aufgeschlossenen Westen der Insel. Was immer sie bewogen haben muß, sich zu so früher Stunde zusammenzufinden, treibt sie weiter in steter Eile direkt nach Süden.
Nachdem die Sonne ihren Zenit überschritten hat und die Winde endlich günstig stehen, blähen sie die Segel eines auretianischen Schnellseglers, der sich mutig den Wellen entgegenstemmt, die die Strömungen in die Strasse von Tekkagiro hineindrücken und dafür sorgen, dass die See dort stets kabbelig ist. Mit jedem Erklimmen eines Wellenberges scheint er seinen langen Bugspriet direkt in die Sonne stechen zu wollen. Wie um sie an den Himmel zu nageln, damit die Zeit stillstehen möge.
Als ob die Reise so schneller verlaufen könne.
Als ob Iatans Licht in seinem Lauf sich so einfach anhalten ließe.
...