[HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

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[HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Archeion » Mi 01 Mär, 2023 10:36

Im Rahmen der weiteren HKR-Ausgestaltung ein Entwurf zum Thema "Recht und Gesetz". Dieser Text (bzw. die Überarbeitung) würde dann im HKR-Hauptartikel Eingang finden. Meinungen? Beiträge? Ergänzungen?

Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Das Heilige Kaiserreich besitzt eine vielschichtige Rechtsarchitektur, bei der regelmäßig Konkurrenzverhältnisse und sogar direkte Widersprüche auftreten. Häufig ist auch entscheidend, welches Rechtssubjekt Gegenstand der Betrachtung ist: Adelige oder Geweihte können sich so zumeist auf eigene Rechtswerke und dementsprechend großzügig definierte Schutz- und Kompetenzbereiche berufen.

Demgegenüber steht die große Masse der einfachen Landbevölkerung, städtischer Armen und Wanderarbeiter, welche sich zwar auf einige reichsweite Edikte berufen können, de facto aber mangels finanzieller und standesbezogener Möglichkeiten manchmal der relativen Willkür örtlicher Machthaber ausgeliefert sehen.

Trotzdem bietet das Kaiserreich einen relativ hohen Grad an Rechtssicherheit, und selbst mittellose Kläger haben Anspruch auf rechtlichen Beistand (bspw. der nächste Geweihte des Pantheons). Die Zeit absolut willkürlich herrschender Landesherren liegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der Vergangenheit.
Sowohl Kaisertum als auch aufstrebendes Bürgertum der großen Städte haben dazu beigetragen, dass die Idee des “Rechts für Jeden” mehr oder weniger allgemeine Akzeptanz findet.

Unqualifizierte Rechtsnormen, die jedem Individuum im Kaiserreich zustehen, sind zum Großteil in der historischen “Lex Eodatiae” verankert. Nennenswerte Gesetze umfassen unter anderem: (a) Anspruch auf gesetzlichen Beistand (in Ermangelung eines Advocaten sind auch Geweihte hierzu befugt), (b) Verzicht auf hochnotpeinliche Befragung in zivilen Prozessen, (c) das Recht auf Gehör des Landesherren bei drohendem Todesurteil, (d) Verbot der Sklaverei und (e) jährliche Fürbitte um Gnadenerlass bei Kirchenfürsten oder Landesherren.

Neben der äußerst umfangreichen und historisch gewachsenen “Lex Eodatia” gehören auch die “Lex Imperialis” als Rechtswerk für den Adel und die “Lex Divinae” für Geweihte zu den althergebrachten Standardwerken.

Neben diesen drei großen Rechtsquellen existieren reichweite Edikte des Kaiserthrons, die aber oft recht allgemein formuliert sind und ebenso der formellen Bestätigung durch den Kleinen Reichstag bedürfen.

Andere Rechtsquellen sind regionale oder lokale Landesherren. Typische Gesetzesräume umfassen Waldnutzung, Jagd, Wasserrechte usw.

Die langsam gewachsene Bedeutung der Reichsfreien Städte und Freier Bürger des Kaiserreiches nimmt ebenso Einfluss auf Recht und Gesetz: Reichsfreien Städte wird das Recht zugestanden, eine umfangreichere Gesetzgebung und Rechtsprechung unabhängig zu gestalten und anzuwenden. Insbesondere finanzielle, wirtschaftliche und im weiteren Sinne zivilrechtliche Regelungen werden oft durch ein städtisches Gremium kodifiziert.

Wesentliche Elemente unterliegen aber unverändert dem Primat des Kaiserlichen Rechts, also den Bestimmungen reichsweiter Edikte auf Grundlage der “Lex Eodatiae”. Der Stadtrat einer Reichsfreien Stadt kann so beispielsweise nicht eigenständig den Anspruch auf Rechtsbeistand aufheben oder Adelige und Geweihte für Straftaten zu mehr als einer Geldstrafe verurteilen: Selbigen ist so unverändert das Recht auf “Iurisdictio per pares”, also die Rechtsprechung durch eine Versammlung ihresgleichen garantiert.

Für die große Masse der Bevölkerung sind zumeist nur zwei Arten von Rechtsprechung relevant: Das örtliche Gericht in Zivilfragen (Ehestreitigkeiten, Verträge, Entschädigungen usw.), sowie der örtliche Landesherr bei speziellen Zivilsachen und Straftaten (Steuerklagen, Diebstahl, Körperverletzung, Totschlag usw.). Wirklich spezielle Prozesse (welche viel seltener vorkommen als mithin angenommen) werden je nach Lage an die Kirche überstellt (Ketzerei) oder durch den Landesherren weitergereicht an seinen Lehnsherren (beispielsweise bei komplizierten Grenzstreitigkeiten mit anderen Domänen).
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Re: [HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Kuo » Mi 01 Mär, 2023 14:35

Danke für deine Initiative. Ich finde einige Ideen sehr gut, insgesamt erscheint mir das aber deutlich zu modern. Ich denke, wir sollten uns hier eher am Gemeinen Recht orientieren (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gemeines_Recht) und mehr von einem Feudalsystem als von einer zentralen Staatsmacht ausgehen.

Thematisch hast du, finde ich, schon viele interessante Punkte angesprochen. Als Abenteueraufhänger fände ich zusätzlich noch ein paar Sätze zum Eherecht gut (z.B. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Heiratserlaubnis). Ist es zB erlaubt, dass eine Mittelreicherin einen Zwergen heiratet?
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Re: [HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Archeion » Mi 01 Mär, 2023 17:09

Kuo hat geschrieben:Danke für deine Initiative. Ich finde einige Ideen sehr gut, insgesamt erscheint mir das aber deutlich zu modern. Ich denke, wir sollten uns hier eher am Gemeinen Recht orientieren (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gemeines_Recht) und mehr von einem Feudalsystem als von einer zentralen Staatsmacht ausgehen.


Danke Dir für diese angenehme, konstruktive Kritik! :D

Ich stimme mit Dir überein, dass die verfassungsrechtliche Moderne keine Rolle spielen sollte. Einige meiner Punkte sind auch Konsequenzen aus einem (teilweise) starken Kaisertum, das Tommek als generelle Leitlinie vorgegeben hatte. Dies bezieht sich auch auf das Verhältnis von Zentralmacht vs. feudalistischer Struktur.

Das HKR steht teilweise jenseits eines klassischen Feudalsystems, ist aber auch kein zentralistischer Staat nach modernem Verständnis.
Die Rechte / Befugnisse innerhalb der Domänen sollen natürlich weiterhin stark auf Selbstbestimmung ausgerichtet sein.

Ich hatte ja bereits eine Form der Synthese aus absolutem Kaisertum und ständischen Monarchie umrissen:
"Aufgrund der enormen Komplexität politischer Kompetenzen kommt einem starken, autoritären Kaisertum als zentralem Bezugspunkt entscheidende Bedeutung zu. Der Kaiser verfügt über absolute Entscheidungsfreiheit, außer in Fragen von Kriegs- und Friedenserklärungen, sowie Steuererhebungen und einigen Bereichen der Gesetzgebung in Gliedstaaten, Freien Städten und kirchlichen Lehen. [STATUS QUO]

In formeller Hinsicht bildet die Staatsform des Kaiserreiches eine Synthese aus zentralistischem, autoritärem Kaisertum und als Gegengewicht fungierenden Privilegien von Adel, Klerus, Gilden, freien Städten und einigen speziellen Gliedstaaten bzw. Protektoraten.

Elemente absoluter Monarchie werden so de facto begrenzt durch realpolitisch-ökonomische Zwänge (Staatskasse, Heereskosten, Volatilität von Steuereinnahmen), sowie das konkurrierende Machtstreben unterschiedlicher Institutionen. Diese sind zwar dem Kaisertum klar untergeordnet (mit weitreichenden Ausnahmen der Kirchen), suchen aber sowohl diesem als auch anderen Institutionen gegenüber ihre Kompetenzen und Freiheiten zu schützen und teilweise auszubauen. (...)"

Zu diesem Element können wir ja die Bedeutung feudalistischer Strukturelemente noch einmal verstärkt hervorheben. Was denkst Du?

Da ich kein Experte für juristische Fragen bin, musste ich mir relativ nichtssagende Textpassagen zu Gemüte führen:

Text 1
Text 2

Der Verweis auf "Reichsweite Edikte" (oder wie auch immer die Nomenklatur aussehen soll) ist historischen Vorlagen entnommen:

Verweis

Dieses Element würde ich als Ausdruck kaiserlicher Entscheidungsmacht auf jeden Fall behalten, aber gleichzeitig mit Einschränkungen versehen (wie im Entwurf so vorgestellt.)

Wenn Du solche Elemente, die Deiner Auffassung nach zu sehr der Moderne nahestehen nennst, dann versuche ich mich gerne an einer Revision. Insbesondere Deine Kenntnis des "Gemeinen Rechts" würde mich interessieren, dann könnte ich konkrete Hinweise berücksichtigen und einbauen.

Kuo hat geschrieben:Thematisch hast du, finde ich, schon viele interessante Punkte angesprochen. Als Abenteueraufhänger fände ich zusätzlich noch ein paar Sätze zum Eherecht gut (z.B. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Heiratserlaubnis). Ist es zB erlaubt, dass eine Mittelreicherin einen Zwergen heiratet?


Tolle Idee! :) Ein gepflegter Damenbart ist doch auch etwas Feines! :herzen:
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Re: [HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Kuo » Mi 01 Mär, 2023 17:22

Ich schaue, dass ich am Wochenende dazu komme, mit das näher anzusehen und konkretere Vorschläge zu machen. Und ich werde einmal nachsehen, ob ich meine alten Rechtsgeschichte-Skripten noch finde :)
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Re: [HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Archeion » Mi 01 Mär, 2023 17:32

Das wäre großartig! :party: Ich konzentriere mich schwerpunktmäßig weiterhin auf die Staatsform und Organe. Beim "Groß-Thema" Recht freue ich mich auf Deinen Input. Bei Ersterem gebe ich auch noch eine zusätzliche Prise Feudalismus in das Lore-Süppchen!
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Re: [HKR] Rechtsquellen, Rechtssubjekte und Rechtsprechung

Beitragvon Tommek » Mo 06 Mär, 2023 10:24

Ich glaube hier kann man gut zwischen "so sollte es sein" und "so ist es" unterscheiden. Das starke Kaisertum wird sich kaum um Gemeine scheren. Und es sollte klar sein, wer hier mehr Zeugen zahlen kann, wird vor Gericht auch Recht bekommen. Ebenso sollte der Stand einen großen Anteil haben, steht es mal "Aussage gegen Aussage".

Sklaverei mag verboten sein, aber ich denke man wird da als einfacher Bürger auch mal schnell eine Strafe "30 Jahre Bergwerk" abholen können für Kleinigkeiten. Das kann im Reich je nach aktuellem Adeligen sicher sehr weit variieren und zwischen Adel, Ständen, Gilden und Geweihten auch mal Zwistigkeiten hervorrufen.

Lynchjustiz wird es außerdem in den Randgebieten und allgemein gegen Fremde und Goblins/Orks/Elfen im besonderen geben.
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