Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Intrigen und Bündnisse im Hochreich Nuovo Imperio und dem teilanhängigen Westendar

Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Ascanio » Mo 19 Nov, 2012 02:09

In der Tat entließen die Herrschaften den jungen Capitano aus der Besprechung. Sogleich machte Andrea sich auf den Weg zurück nach Alt-Heroida, wo sich auf dem Richtplatz bereits eine große Menschenmenge angesammelt hatte, um der Vollstreckung des Urteils gegen die gefangen genommenen Piraten beizuwohnen.
Andrea fand schnell einen guten Platz in den vorderen Reihen der Marinesoldaten, die sich abseits vom Pulk der Gemeinen versammelt hatten.
Auf dem Schafott standen die siebzehn Piraten, Hände und Füße gefesselt, ungewaschen und in ihren schäbigen Kleidern den Tod erwartend. Hoch über ihren Köpfen baumelten siebzehn Schlingen an einem langen Balken, der das Schafott in seiner gesamten Breite überspannte. Mehrere Trupps Gardisten bewachten den Platz und machten jeglichen Fluchtversuch zunichte.
Während der Richter den Namen jedes einzelnen Piraten verlas samt Anklage und Urteilsspruch bemerkte Andrea, wie jemand aus Gedränge an ihn herantrat. Zu seinem Erstaunen durfte er feststellen, dass es der Admiral der Patriaflotte war.
"Ihr habt mitbekommen, was für ein Chaos in der Führungsriege herrscht, Capitano." raunte Stefano d'Este ihm zu. "Es kann so nicht weitergehen. Die kaiserliche Marine braucht wieder eine ordentliche Führung. Ihr stimmt mir in diesem Punkt mit Sicherheit zu." Ohne eine Antwort von Andrea abzuwarten fuhr er weiterhin in flüsterndem Tonfall fort. "Capitano di Caprone Aureo, ich möchte Euch einen Vorschlag machen."
Der Richter hatte die Urteilsverkündung beendet und während die Piraten nun auf einen Balken geführt wurden, der etwa einen Schritt über dem hölzernen Boden des Schafotts genau unterhalb des Galgenbaumes verlief, trat ein Priester der Nergaskirche vor und sprach ein Gebet. "... und mögest Du ihrer Seelen gnädig sein und sie aufnehmen in deine Hallen, damit sie Läuterung finden und gereinigt werden von den Sünden dieses Lebens..."
D'Este fuhr unbeirrt fort: "Ihr scheint mir ein aufrechter Mann, di Caprone Aureo, und mutig und pflichtbewusst zugleich. Wenn Ihr mich bei der Sache unterstützt, dann sehe ich Euch in naher Zukunft in der Position eines Commodore und wer weiß, in ein, zwei Jahren vielleicht sogar als neuen Admiral der Patriaflotte."
Die Schlingen wurden um die Hälse der Delinquenten gelegt. Ein Trommelwirbel setzte ein. Während die Marinesoldaten still und unbeweglich der Exekution beiwohnten herrschte im Volk die für solche Ereignisse typische Aufgeregtheit. Rufe erschallten, die die Piraten verdammten und allerlei Unrat flog in Richtung des Schafotts. Die Piraten ertrugen alles, was mit ihnen und um die herum geschah, mit stoischer Gleichgültigkeit, so wollte man meinen. Sie hatten mit ihrem Leben abgeschlossen, keiner wusste wie lange schon. Jedem Piraten war klar, dass sein Leben verwirkt war, wenn er in die Hände der kaiserlichen Marine fiel. Gerade das war es, was sie zu so gefährlichen und todesmutigen Gegnern machte. Nun, da ihr letztes Stündlein geschlagen hatte, gab es allerdings keinen Grund mehr sich dem unausweichlichen Schicksal entgegenzustellen.
"Euer und mein Schicksal hängt daran, ob es uns gelingt, diese Plage auszurotten. Wir müssen ihr Nest ausfindig machen. Doch das werden wir nicht mit einem Großaufgebot schaffen. Was wir brauchen ist eine kleine Expeditionsmannschaft, die nicht der Marine zugeordnet werden kann. Tarnung, unter falscher Flagge, Ihr versteht? Vielleicht gelingt es so die Standorte der Piratenstützpunkte ausfindig zu machen, sich bei ihnen einzuschleichen, ihre Geheimnisse auszukundschaften und dann in einer konzertierten Offensive gegen alle ihre Stützpunkte gleichzeitig mit aller Kraft zuzuschlagen. Ich glaube, dass Ihr der richtige Mann für diese Aufgabe seid. Ihr seid jung und noch nicht so lange in der kaiserlichen Marine, dass man Euch überall schon von weitem erkennt. Ihr habt das Zeug dazu diese Unternehmung zum Erfolg zu führen. Was sagt Ihr?"
Der Trommelwirbel verhallte mit einem letzten Schlag, die Stimme eines Tenente erhallte zu einem kurzen Befehl und gleichzeitig bewegte sich der Balken, auf dem die Piraten in Reih und Glied standen, ruckartig nach hinten weg. Alle Siebzehn fielen mit einem Mal ins leere und die Stricke schnitten sich tief in ihre Hälse. Einigen von ihnen brach das eigene Gewicht des Körpers sofort das Genick, andere zappelten eine Weile wie Fische auf dem Trockenen. Das Volk brach in Jubelstürme aus. Wie waren doch alle Menschen gleich! Raubtiergleich ergötzten sich diese ansonsten wohl eher friedfertigen Bewohner der Stadt an den Qualen, die die Exekutierten in diesem Augenblick zu erdulden hatten.
Der Tod kam rasch und hinterlies die üblichen Spuren an den Beinkleidern der Verurteilten, als deren Muskeln ein endgültig erschlafften.
Der Admiral schenkte dem Schauspiel keine Sekunde seiner Aufmerksamkeit. Sein Blick lag forschend auf Andreas Gesicht. Es würde sich zeigen, ob er in der Einschätzung des jungen Capitanos richtig lag.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Mo 19 Nov, 2012 19:18

Andrea beeilte sich, um zum Richtplatz zu kommen. Dort angelangt, suchte sein Blick eine gewisse Gestalt, die er in der Menge wusste. Ein schneller Blickkontakt und er sah den einäugigen Vagabunden nahe dem Schafott in der Menge stehen. Ein verschwörerisches, kurzes Grinsen wurde gewechselt und schon wurde Andrea unvermittelt von Admiral d'Este angesprochen.

Er hörte aufmerksam zu ohne seinen Blick von der Menge zu wenden, die Augen zentriert auf den Einäugigen. Die Delinquenten fielen in die Seile um ihre Hälse, der Admiral beendete seinen Monolog und Andrea schaltete um. Merde, dachte er und wollte dem Einäugigen gerade einen Wink geben.

Zu spät! Der Einäugige tat bereits, wofür Andrea ihn bezahlt hatte.

"Guarda, c'è il capitano", schrie der Vagabund, kaum dass die Delinquenten aufhörten, an den Stricken zu zappeln. Dann warf er seine Kopfbedeckung in die Luft und brüllte ein "Bravo" hinterher, dabei auf Andrea zeigend. Sogleich stimmten einige Claqueure mit ein, von denen die meisten ebenfalls ein paar Gulden aus Andreas Börse erhalten hatten.

Erwartungsgemäß machte ihr Beispiel Schule. Hüte flogen in die Luft und die Bravorufe wurden zahlreicher, bis auch diejenigen, die nicht bezahlt worden waren und auch nie erfahren würden, was der Auslöser dieses Hochlebens war, mit einstimmten. Alle Augen wandten sich von den Gehängten ab und starrten neugierig auf Andrea, der selbst seinen Dreispitz abnahm und sich der Menge verneigte. Er winkte bescheiden ab und gab mit einigen kurzen Sätzen bekannt, dass er nicht mehr vollbracht hätte, als es seine Pflicht gegenüber dem Imperio gewesen sei und dass er diese Aufmerksamkeit nicht verdiene, hätte er doch nicht mehr getan, als jeder brave capitano an seinem Platz.
Diese Worte stießen auf spürbare Zustimmung und Andrea sah mit Genugtuung, dass sogar einige der anwesenden Noblen anerkennend applaudierten, auch wenn sie ihre federumbrämten Hüte auf den Häuptern behielten.

Als der Tumult endlich ein wenig nachließ, raunte Andrea dem Admiral als Antwort zu: "Soweit also nun zu Eurer Einschätzung, dass man mich nicht schon überall von Weitem erkennen würde. Das hier dürfte die mir zugedachte Aufgabe merklich erschweren, denkt Ihr nicht auch, Admiral?"
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Ascanio » Di 20 Nov, 2012 08:44

Der Admiral wirkte wenig gerührt von dem dargebotenen Schauspiel. Zwar spendete er Andrea ebenfalls Beifall, doch seine Gestik und Mimik wirkten dabei kühl und distanziert, keinesfalls so emotional wie der Jubel unter den gemeinen Zuschauern. Als die Lage sich wieder etwas beruhigt hatte antwortete er auf Andreas Frage, während im Hintergrund die sterblichen Überreste der Piraten vom Galgen geschnitten wurden.
"Eine nette Inszenierung, Capitano. Chapeau! Wenn auch nicht ganz günstig für meinen Vorschlag. Da werdet Ihr Euch wohl doch etwas mehr einfallen lassen müssen als Euch einen langen Bart wachsen zu lassen. Wie dem auch sei, mein Angebot an Euch steht. Überlegt es Euch, doch überlegt nicht zu lange. Eile ist geboten. Wie wäre es, wenn Ihr mich in den kommenden Tagen in meiner Villa in Sfazzo besuchen kommt? Es wäre mir eine Freude einen Helden der Nation wie Euch bewirten zu dürfen."
Die letzten beiden Sätze sprach er, anders als den Rest des Gespräches, laut genug, dass sie auch von den Umstehenden verstanden werden konnten.
Nachdem er Andreas Antwort erfahren hatte nickte er diesem kurz zu, reichte ihm die Hand zum Abschied und wandte sich dann ab, um den Rückweg zur Admiralität anzutreten.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Di 20 Nov, 2012 20:05

"Inzenierung", wiederholte Andrea in Gedanken. Wie kam der Mann auf sowas? Sollte er den äusserst kurzen, überaus verstohlenen Blickkontakt mit dem Einäugigen tatsächlich aufgeschnappt haben? Eigentlich kaum anzunehmen.

"Ihr missdeutet die Situation, Admiral", wandte Andrea also raunend ein und beantwortete die Einladung lauter mit: "Es ist mir eine Ehre, Eurer Einladung umgehend nachzukommen. Ich werde morgen das nötige veranlassen und mich den Tag darauf auf den Weg machen." Dann war der Admiral auch schon verschwunden.

Andrea verneigte sich erneut der Menge, wünschte allerseits einen guten Tag und verabschiedete sich dann ebenfalls vom Richtplatz.
Als er der Menge entkommen und um ein paar Ecken verschwunden war, kam ihm auf dem Weg nach Hause der Einäugige entgegen. Den verfilzten Umhang war er genauso losgeworden, wie die Augenklappe und auch die Haltung war aufrechter, als zuvor am Richtplatz. "Tutti bene, capitano", wollte er wissen, als er vor Andrea stand.
Andrea kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Kann man so und so sehen, Hernandez. Komm mit, dann erkläre ich Dir alles."

Hernandez halste auf dem Absatz und schloss sich Andrea an, der ihm die neue Situation in einigen knappen Worten erklärte.
"Hm", grunzte Hernandez, "dann war der Auftritt eben vielleicht doch nicht die Beste Idee?"
"Wird sich finden, Hernandez, wird sich finden. Lässt sich nun ohnehin nicht mehr ändern. Klar ist, der Admiral will höher hinaus. Ebenso klar ist, dass man in seinem Kielwasser auch die Treppe hinauffallen wird, wenn er Erfolg hat. Das sollten wir versuchen. Sollte ich tatsächlich Comodore werden, oder gar Admiral - dann ist mal sicher, dass Du Dein eigenes Schiff bekommst, als captiano. Das wäre mehr als verdient, ohne Zweifel."
Hernandez grinste und nickte zufrieden. Auch wenn es deutliche Unterschiede in Rang und Herkunft gab, so hatte die See die beiden ungleichen Männer doch in gewisser Weise zu einem Bündnis zusammengeschweisst, dass mit Salz und Blut verkleistert war. Man konnte sich aufeinander verlassen, in stürmischer See, im Gefecht und eben auch sonst.

Nachdem das Notwendige geklärt war, verabschiedete man sich. "Also Hernandez, sieh zu, dass Du bis übermorgen nüchtern bist und am Besten wirst Du auch diesen Gestank nach Hurenhaus los. Und dann schau Dich am Hafen um, ob irgendwo eine Prise zu verkaufen ist. Wir brauchen ein Schiff, ein schnelles Schiff, wenn's geht. Mit hohem Aussenbord und Kastellen, capice?"
Hernandez salutierte. "Aye capitano .... das mit dem Gestank, das ist doch Parfüm und Weiber... ich meine, muss das denn wirklich sein?"
Ein strenger Blick Andreas genügte wohl als Antwort. "Aye, Aye", war das letzte, was Hernandez verlauten ließ, ehe er wieder zum Hafen ging.

Andrea indes machte sich auf den Weg hinauf zur Villa, an der die Bauarbeiten vorerst zum Erliegen gekommen waren. Eigentlich war Andrea ganz zufrieden mit der Reise nach Sfazzo, verhiess sie ihm doch, dieser Baustelle für einige Zeit zu entrinnen. Eilig machte er sich daran, seinen Major Domus eingehend zu instruieren, ehe er sich ins Kaminzimmer zurückzog und mit einem Cargnac dem Tanz der Flammen zusah.

....

Zwei Tage später, mit dem ersten Hahnenschrei, verliessen zwei Reiter San Aurecciani auf dem Weg nach Sfazzo.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Fr 21 Dez, 2012 14:37

Die Reise verlief ohne besondere Vorkommnisse und Andrea gelangte mit Hernandez überraschend zügig nach Sfazzo. Ein Quartier in einer Herberge war schnell gefunden und so machte sich Andrea am am Abend des nächsten Tages auf, um der Einladung des Admirals Folge zu leisten.



Es war spät geworden, als Andrea zurückkehrte und die Herberge betrat. Hernandez saß mit einer Schankmaid quer auf dem Schoß vor einem Becher Wein und ließ es sich offensichtlich gut gehen. Andrea fackelte nicht lang und setzte sich an den Tisch zu Hernandez. Wortlos sah er zu dem Geschützmaat herüber, was diesen dazu veranlasste die Schankmaid von seinem Schoß zu befördern und sie mit einem Klapps auf den Hintern auf später zu vertrösten. Schmollend zog sich das dralle Weib zurück und ließ die Beiden unter sich.

„Das glaubst Du nicht“, begann Andrea, nachdem er noch einen Wein für sich bestellt hatte, „das glaubst Du wirklich nicht!“
Hernandez grinste und nahm einen guten Zug aus seinem Becher. Es schien ihm unnötig etwas zu entgegnen, wusste er doch, dass auch ohne seine Intervention die Geschichte fortgesetzt würde und zudem kannte er Andrea lange genug, um alles zu glauben, so abstrus konnte es überhaupt nicht werden.
Tatsächlich fuhr Andrea bald fort: „Nun, wie vermutet, schicken sie uns los, das Piratennest zu entdecken und es eilt. Aber ich habe zudem noch erfahren, wieso der Admiral sich stäubt, beim Marquis de Morlay für mich zu intervenieren. Sie sind beide scharf auf den verwaisten Stuhl des Großadmirals. Und mein Vater meinte noch, ich solle mich vorsehen, Auretianien sei eine Schlangengrube.“
Hernandez rülpste bestätigend und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, was ihm einen tadelnden Blick von Andrea einbrachte.
„Jedenfalls würde der Admiral sich im Falle unseres Erfolges in der Marine für mich verwenden und er ist zuversichtlich, dass er es sogar einrichten könnte, mir den Posten des Admirals der Patriaflotte zu zuschanzen, wenn er Großadmiral würde. Nur sitze ich damit schön zwischen den Stühlen. De Morlay wird sich sicherlich nicht sonderlich angetan zeigen, wenn der Sog unseres Erfolges den Admiral nach oben spült – so er denn wirklich mit dem Posten des Großadmirals liebäugelt. Aber da er nun der Staatsminister für das Lehnswesen ist, wird er das letzte Wort haben, was meine Titel angeht. Merde! Keine erbauliche Situation.“

Hernandez dreht den Becher zwischen den Fingern: „Echt nicht!“

„Danke für Deinen Zuspruch“, frotzzelte Andrea grinsend, „aber es kommt noch besser!“
„Noch besser?“
„In der Tat, nach dem das Geschäftliche geklärt war, haben er und seine Gattin mir eine private Offerte gemacht.“

Hernandez glotzte mit offenem Mund: „Ach?“

Andrea wartete, als sein Wein gebracht wurde und ließ Hernandez zappeln. Ganz in Ruhe nahm er einen Schluck und schmunzelte. „Kein Schlechter Tropfen, muss ich zugeben. Ach so, stimmt – die Offerte. Das glaubst Du echt nicht! Sie haben vorgeschlagen, ich solle ihre Tochter heiraten.“

„Mast und Schotbruch ... Isse hübsch?“

Andrea verdrehte die Augen: „Blutjung ist sie und auch hübsch. Aber heiraten? Ich bitte Dich, das muss nicht unbedingt sein. Auch wenn sie eine gute Partie wäre, zweifelsohne - aber heiraten? Das liegt nicht unbedingt in meiner Familie.“

Hernandez lachte: „Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man dazu über Deinen Alten erzählt.“ Ein zorniger Blick Andreas ließ Hernandez sich umgehen korrigieren: „Äh, ich meine über den seeligen Conte di Don Cervolo, Nergas Hallen stehen ihm offen.“

„Mag sein, mag sein“, ließ Andrea diese Andeutung unkommentiert, „Tatsache ist, dass ich das irgendwie abzuwenden gedenke - wenn ich auch noch nicht so genau weiß, wie. Jedenfalls reiten wir sofort nach San Aurecciani zurück. Ich muss unbedingt noch mit De Morlay sprechen, bevor wir in See stechen und möglichst auch noch mit dem Marqese della Viscani. Immerhin war er ein Freund meines Vaters und ist auch ein Freund des Marquis. Ich hoffe, das lässt sich noch regeln, bevor wir segeln. Und dann habe ich noch eine Verabredung mit meiner zukünftigen Verlobten.“ Andreas Mundwinkel verziehen sich, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. „Gebe Aphor, dass mir etwas dazu einfällt. Und wie steht's bei Dir? Wie lange, bis wir seeklar sein werden? Hast Du noch von den Jungs jemanden angeheuert?“

Hernandez kratzte sich am Kinn: „Hm, drei Tage, vielleicht vier. Sah alles ganz gut aus, als wir los geritten sind. Müssen wir wirklich heute schon los?“ Sein Blick schweifte sehnsuchtsvoll zu der drallen Schankmaid, was Andrea nicht verborgen blieb. Er nickte nur bestätigend.
Hernandez seufzte. Die Nacht also auf einem Pferderücken statt...
„Also gut“, murrte er, „viele sind es nicht. Oleg hat es vor kurzem an eine Rahe geschafft. Sabastiano wird kommen, Ling auch. Die zwei sind immer noch unter einer Flagge. Aus dem Matrosen Luciano ist mittlerweile ein echter Seemann geworden, der ist auch dabei. Und der Richtschütze Miguel. Von den anderen habe ich noch keine Nachricht. Aber die Kaschemmen sind voll mit Leuten, die sich anheuern lassen wollen. Da sehe ich kein Problem.“
„Bene“, zeigte sich Andrea einigermaßen zufrieden, „dann lass uns schnell was essen und dann reiten wir los. Die Zeit drängt.“

Kaum eine Stunde später saßen die beiden im Sattel und ritten nach San Aurecciani davon.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » So 30 Dez, 2012 16:23

San Aurecciani einige Zeit später.
...
Es hatte geklopft. Andrea gähnte und wunderte sich einen Moment, warum niemand öffnete. Dann wurde ihm klar, was der Grund dafür war. Sein Diener war gerade unterwegs, um seine Korrespondenz auszuliefern. Ein Schreiben an den Marquese della Viscani und eines an den Marquis de Morlay. So blieb ihm nichts anderes über, als selbst nach dem frühen Eindringling zu sehen. Im Morgenmantel und in Pantoffeln durchquerte er sein Arbeitzimmer und öffnete das Fenster, um hinunterzusehen, wer vor der Tür stand und um Einlass begehrte. Erleichtert erkannte er Hernandez unter sich. "Buon giorno", grüsste er hinunter und warf seinen Schlüssel dem Gruß hinterher. "Schließ’ Dir auf und komm hoch. Mein Diener ist gerade auf einem Botengang."
Hernandez äugte nach oben und fing den Schlüssel geschickt auf. Dann öffnete er und zog die Tür der Villa hinter sich zu. Die Bauarbeiten waren abgeschlossen worden und die Fassade strahlte in frischem Weiß mit hellblau abgesetzten Fensterhöhlen. Ein freundliches, einladendes Bild im milden Licht der noch tief stehenden Sonne.

Schließlich stand Hernandez vor Andrea in seinem Arbeitszimmer und legte den Schlüssel wieder zurück auf den Tisch, auf dem Kaffee und ein kaum angetastetes Frühstück stand. "Buon giorno capitano. Mit Verlaub... Du siehst scheußlich aus."
"Kaum geschlafen", grinste Andrea und deutete hinter sich, wo die Tür zu seinem Schlafgemach nur halb geschlossen war und seine Bettstatt zu erkennen war, die sicher zerwühlt wie nach einem Orkensturm zeigte. Hernandez war in dieser Beziehung nicht aus der Fassung zu bringen und liess sich ein einen der tiefen Ledersessel plumpsen. "Besuch", fragte er weniger, als er feststellte.
"Sieht ganz so aus", nickte Andrea und grinste breit, "und erfreulicher Art dazu."
Mit einer Geste lud er Hernandez ein, sich am Kaffee zu bedienen, was dieser auch umgehend tat. "Was gibt's Neues", fragte er und setzte sich zu Hernandez an den Tisch.
"Die Mannschaft steht. Ein paar Tage auf See und ordentlich exerziert, dann wird das schon. Ich habe nur die angeheuert, die einen Schekel von einer Gürtelschnalle unterscheiden können und die schon einige Fahrten hinter sich haben. Außerdem können sie durchweg gut mit dem Entermesser umgehen. Ling, Sebastinano, Luciano und Miguel sind schon an Bord und kümmern sich um das Schiff. Von Levasseur habe ich nichts gehört bisher. Dafür ist Joao aufgetaucht und war natürlich sofort dabei. Verproviantierung so gut wie abgeschlossen. Munitionierung auch. Kettenkugeln, Feuerkugeln und Kartätschen, was reingeht. Geschütze waren schwierig zu bekommen, aber dank des Schreibens des Admirals auch an Bord. Ab morgen Abend wären wir bereit zum Auslaufen."
"Molto bene", zeigte sich Andrea zufrieden, als er erneut an der Tür klopfte. "Bist Du so freundlich", deutet Andrea an seiner sehr häuslich bekleideten Erscheinung herunter. Hernandez nickte, bewaffnete sich mit dem Schlüssel und ging hinunter, um sich des Besuchers anzunehmen. Derweil nutzte Andrea die Gelegenheit, um sich angemessener zu kleiden. Kaum dass er damit vorangeschritten war, als Hernandez schon wieder im Raum stand. "Ein Bote", tat er kund und händigte Andrea ein Schreiben aus. Andrea ließ sein Hemd vorerst halb geknöpft und betrachtete den Brief, der mit einer Lilie versehen war. Er lächelte, als er ihn öffnete und las.
"Es hat noch jemand angeheuert", lächelte er und legte den Brief auf den Tisch, um sogleich fortzufahren, sein Hemd zu schließen.
"Aha?"
"Nun, mein Besuch von heute Abend wird sich einfinden, nebst Dienerin", gab Andrea bekannt.
Hernandez offener Mund formte ein Fragezeichen.
"Ecco mi amici", erläuterte Andrea sein Vorhaben, "wir suchen etwas, si? Und dazu müssen wir Informationen sammeln. Und eines kann ich Dir versichern - unsere Begleiterin versteht sich darauf ihr Gegenüber in einen hechelnden Hund zu verwandeln, der ihr aus der Hand frisst, bei Aphrosia. Man wird ihr sicherlich einiges anvertrauen, dass wir nur mit größter Mühe zur Kenntnis bekommen würden, capice?"
Hernandez entblößte seine tabakgebräunten Zähne zu einem breiten Grinsen. Er hatte verstanden.
"Andiarmo, machen wir weiter. Räum eine Kajüte für die Damen frei und quartiere sie dort ein, sobald sie an Bord kommen. Möglichst nicht weit von meiner. Und ich werde derweil versuchen, ob es mir gelingt noch mit den beiden Excellenzen zu sprechen, bevor wir aufbrechen müssen." Andrea schloss seinen Rock, nahm noch einen schnellen Schluck Kaffee und deutete zur Tür, die nach draußen führte. "Gehen wir wieder an die Arbeit."
Hernandez erhob sich, leerte seinen Kaffee ebenso aus und schloss sich Andrea auf dem Weg nach draußen an. Kurz darauf trennte man sich und Hernandez ging hinunter zum Hafen, während sich Andrea eine Droschke nahm, die ihn in die Ewige Stadt fahren sollte.
...
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Grande77 » Mo 31 Dez, 2012 18:40

Dichter Morgennebel lag über dem Hafen von Alt Heroida als zwei in Umhänge gehüllte Gestalten sich dem vertäuten Schiff des Capitan di Caprone Aureo näherten. Faye hatte ihre Habseligkeiten in einer Tasche, die sie über der linken Schulter trug, verstaut. Viel war es nicht. Auch wenn sie so manchen Palazzo der Stadt bereits von innen gesehen hatte, so hausten sie und Sor doch in einer kleinen gemieteten Dachkammer, eine Tatsache, die sie durch viel Sorgfalt vor ihren Kunden zu verbergen wusste. In ihrem Leben ging es um Schein - sie war lediglich das als was sie erschien, sonst nichts.

Dies schien nun ihre Chance, sich endlich den Weg nach oben zu ebnen; gewiss, sie hatte es sich mehr als verdient. Zwar war sie weder ein großer Freund von Seereisen noch von den Entbehrungen die solche für gewöhnlich mit sich zu bringen pflegten, aber sie hatte sich dazu entschlossen, ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb mit dem des Capitan zu verknüpfen, wenigstens solange er ihren Absichten nützlich erschien. Wenn er seinen Zielen näher kommen würde, würde sie es auch. Falls nicht, dann wäre das wahrscheinlich ihre letzte Reise die sie antreten würde.

Während der letzten Nächte hatte sie sich des öfteren die Frage gestellt was sie eigentlich dazu getrieben hatte, an dieser Expedition teilzunehmen. Sie war sich immer noch nicht sicher ob es nun Wagemut oder Torheit gewesen war. Sor hatte sich wie immer stoisch ihrem Schicksal ergeben. Wenn sie sterben sollte war es egal wo und wann. Manchmal hatte Faye den Eindruck, die junge Frau hätte schon lange mit ihrem Leben abgeschlossen. Vielleicht hatte sie es schon damals, als sechsjähriges Kind, inmitten des brennenden Gehöfts ihrer ermordeten Familie. Mit ein paar Zeichen hatte Sor ihr einfach zu verstehen gegeben, dass sie dorthin gehen würde wo auch sie hinginge. Das war alles.

Nun standen sie also hier am Hafen von Alt Heroida. Faye näherte sich den zwei Wachsoldaten vor dem Schiff und sprach diese an: "Mein Name ist Faye d'Inverno. Dies ist meine Dienerin. Wir werden erwartet." Einer der beiden begab sich an Bord und kehrte kurze Zeit später mit einem älteren Seesoldaten zurück dem man auf den ersten Blick ansah, dass auch er schon bessere Zeiten erlebt hatte. "Mein Name ist Rodrigo Hernandez. Der Capitan hat mich angewiesen, die beiden Dame in ihre Kajüte zu bringen. Erwarten Sie nicht viel davon, dies ist ein einfaches Schiff." Faye nickte kurz, "Es wird für uns beide ausreichen. Danke." Hernandez führte sie die Planken hinauf auf das Deck. Faye blieben seine interessierten Blicke nicht verborgen, wenigstens was das eine Auge anging. Wohin das andere Auge schielte konnte sie bei bestem Willen nicht sagen. Leicht verzog sie ihre Mundwinkel zu einem Grinsen. Auch Sor hatte die Blicke bemerkt und starrte den Soldaten mit einem eisigen Blick an. Wenn Blicke töten könnten, dachte Faye.

Die Kajüte bot kaum Platz und war nur mit dem Nötigsten ausgestattet, aber das störte Faye und Sor nicht. Faye bettete inständig, dass die See ruhig bleiben würde während ihrer Reise. Aber auch daran konnte sie nun nichts mehr ändern. Gespannt wartete sie darauf, was diese Reise bringen würde.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Mi 02 Jan, 2013 18:26

Hernandez war über die beiden Passagiere erstaunt, trotzdem sie ihm angekündigt worden waren. Auch wenn er sich auf einiges Vorbereitet hatte, war die Madame mit ihrer Dienerin doch merhr als nur ansehnlich und es kostete ihn einige Mühe, nicht durch Gloltzen unangenehm aufzufallen. Einige der Matrosen hatten mit diesem Bemühen deutlich weniger Erfolg.
Bild
Hernandez nahm sich der beiden Damen an und und geleitet sie hinunter zu ihrer Kajüte, die nicht weit von der des Kapitäns gelegen war. Ohnehin ein Luxus auf der Karavelle, die nur über begrenzten Raum verfügte und nur wenige Kajüten bereitstellte. Dafür würde nun einer der Offiziere unter dem Deck in einer Hängematte pendeln müssen. "Den letzten beisst der Hund", dachte sich Hernandez und grinste, als er voranging.
Schließlich schloß sich die Kajütentür hinter den Frauen und Hernandez machte sich auf den Rückweg an Deck. Als er den Niedergang hinaufkam, bildete sich eine Traube Matrosen um ihn, deren fragenden Mienen ihn dazu veranlassten, eine Faust mit der Hand zu packen und sie U-förmig nach unten und wieder hinauf zu ziehen. Dabei grinste er ein breites und drohendes Grinsen, dass den Matrosen unmissverständlich klarmachte: Tabu! Wer dagegen verstößt, der wird unter dem Kiel durchgezogen.

Hernandez biss einen ordentlichen Priem Kautabak ab und kaute ein paar Mal kräftig. Einen kräftigen, braunen Strahl Tabaksaft schickte er erstaunlich zielsicher über die Reling, ehe er die Matrosen anraunzte: "Schon Iatanstag, ihr Landratten? Nix zu tun, oder was? Kommt in die Gänge, oder ich mach Euch Beine, faules Gesindel!"
Eine zweite Aufforderung brauchte es nicht, um die Leute wieder zu zerstreuen und hektische Betriebsamkeit auszulösen. Hernandez wischte sich das Grinsen aus dem Gesicht und ging auf den Bug zu, um einen Schiffsjungen zusammen zu stauchen, der sich mit dem Aufschießen der Taue nach Hernadez' Meinung eindeutig zu viel Zeit ließ.
...
Einige Stunden später, nicht weit entfernt in der Ewigen Stadt, traf Andrea auf den Marchese d'Emeralde. Nachdem sie sich in ein Separée zurückgezogen hatten, berichtet Andrea über die Ereignisse der letzten Zeit und lernte in dem Mann, mit dem den seligen Conte di Don cervolo eine aufrichtige Freundschaft verbunden hatte, einen neuen Freund kennen.
So trennte man sich des späten Abends, nachdem die Verbindung zwischen den Häusern della Viscani und della Cavallo Alto erneuert worden war.
Dieser Abend verlief für Andrea noch besser, als er es sich erhofft hatte und in der Tat sah er der nähren Zukunft zuversichtlicher entgegen, als es vor diesem Zusammentreffen der Fall gewesen war. Nun galt es noch, mit dem Marquis ein Arrangement zu treffen und die Verabredung mit der Tochter von Admiral d'Este hinter sich zu bringen.

Dann würde es endlich wieder losgehen, den Wind in den Segeln einem neuen Abenteuer entgegen.
Andrea Powlo d. C. A. | Håkon Snorreson

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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Grande77 » Fr 04 Jan, 2013 04:14

Die Flammen loderten hell vor der aufgehenden Sonne, die sich langsam hinter dem kleinen Fichtenwald erhob und den herbstlichen Himmel in eine bunte Pallette aus Rot, Blau und Gelbtönen eintauchte. Wie oft hatten sie und ihr jüngerer Bruder Diego dort zwischen den Bäumen gespielt, sich als Questadoren verkleidet und sich mit Ästen bewaffnet imaginären Feinden entgegengestellt um diese triumphierend in die Flucht zu schlagen? Jetzt lag Diego wenige Schritte neben ihr vor einem umgestürzten Heuwagen im Dreck. Sie konnte sein aschfahles Gesicht sehen, seine glasigen, gebrochenen Augen, die sie direkt anzustarren schienen, als wolle er sie fragen was diese fremden Männer denn hier zu suchen hätten. Doch tief in ihr drinnen wusste sie, dass er dies nie wieder tun würde. Ein großer, klaffender Schnitt zog sich quer über den aufgeblähten, blutverschmierten Bauch des kleinen Jungen. Sie sah, wie seine Gedärme aus der Wunde quollen, wie sich fast schwarzes Blut mit dem Kot des durchtrennten Darms vermischte, wie gelbe Galle und Magensaft langsam aus der weit offenen Wunde rannen und sich in einer allmählich trocknenden Lache sammelten. Warum hatten sie das Diego nur angetan? Er konnte doch noch nicht einmal einer Fliege etwas antun. Warum nur? Warum?

Eine rauhe Hand packte sie an der Schulter und zerrte sie gewaltsam auf ihren Rücken. Angsterfüllt starrte sie in die Gesichter zweier der Söldner die den Hof ihrer Eltern überfallen hatten. Der Ältere der beiden lachte dem hinter ihm stehenden Mann zu: „Die Kleine ist noch am Leben, Sancho. Heute ist unser Glückstag, wie? So, meine Süße, jetzt mach’ ich dich zur Frau. Das wird dir Spaß machen, mein Mädchen, das versprech’ ich dir.“ Sie fing an zu weinen, Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie zog laut schniefend die Nase hoch und suchte verzweifelt mit ihren Augen nach einer Rettung. Wo waren die Helden, die Ritter in strahlenden Rüstungen die in den Gutenachtgeschichten ihrer Mutter immer dann zur Stelle waren wenn man sie brauchte? Kein Held oder strahlender Ritter kam. Stattdessen näherte sich ihr das nach Alkohol und Schweiß stinkende, grinsende Gesicht des Soldaten.

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„Jetzt hab’ ich aber die Schnauze voll von dem Geplärre. Sancho, komm her und halt’ die Drecksgöre fest! Ich werd’ dafür sorgen, dass die Schlampe ein für allemal ihre verdammte Klappe hält. Das ist ja nicht auszuhalten.“ Während der Angesprochene sich hinter ihren Kopf kniete und ihre Arme festhielt griff der andere lachend an seinen Gürtel und holte einen schartigen, blutverschmierten Dolch hervor. Ihre Augen weiteten sich vor namenlosem Schrecken. Sie schrie aus aller Kraft, versuchte nach der Hand des Mannes zu beißen mit der er ihr den Mund gewaltsam aufhielt. Es brachte alles nichts. Ein fürchterlicher Schmerz schien sie zu zerreissen als er mit groben Bewegungen in ihre Zunge schnitt, immer weiter, ohne Erbarmen. Schließlich hatte er soweit geschnitten, dass er ihr das restliche Stück wie einen blutigen Lappen mit einem Ruck aus dem Mund reißen konnte. Sofort füllte sich ihr Mundraum mit Blut. Mit schwindenden Sinnen vernahm sie hinter sich den Mann sagen, „Die Kleine erstickt doch an ihrem eigenen Blut. Willst du’s etwa mit einer Leiche treiben, Miguel?“, „Nicht wenn ich sie a tergo nehme. Dann kann sie danach hier krepieren. Los, dreh’ sie auf den Bauch!“. Ohne Erbarmen drehten die beiden Söldner sie auf ihren Bauch um mit ihrem schändlichen Treiben fortzufahren. Während ihre kleine heile Welt in Agonie verging, ergriff endlich eine gnädige Dunkelheit von ihr Besitz.

Irgendwann kam sie wieder zu sich, mehr ein verängstigtes, von Schmerzen fast in den Wahnsinn getriebenes Tier als ein kleines Mädchen. Wo vorher ihre Zunge gewesen war, empfand sie nun nur noch einen dumpfen, anhaltenden, ihren gesamten Rachenraum ausfüllenden Schmerz. Sie musste husten und sofort durchzuckte sie ein noch viel größerer Schmerz der sie zu zerreissen drohte. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie sich um. Wo war sie? Wo waren die Männer die ihr das angetan hatten? Sie wollte sich bewegen, doch die kleinste Regung ließ sie innehalten als ein stechender Schmerz durch ihren Unterleib schoss. Was hatten diese Männer ihr nur angetan? Warum? Sie hatte ihnen doch nichts getan, sie hatte sie bis zu diesem Tag doch noch nie gesehen. Dem Wahnsinn nahe kroch sie zum Wohnhaus, das mittlerweile nur noch eine rauchende Ruine war. An einem Balken davor hingen die Leichen ihrer Eltern. Die vorbeiziehende Soldateska hatte diese zunächst geschändet und dann als Zielscheiben missbraucht. Plötzlich öffnete der schrecklich entstellte Leichnam ihres Vaters die Augen und starrte sie hasserfüllt an. „Das hier ist alles deine Schuld. Warum hast du nichts getan? Warum bist ausgerechnet du noch am Leben?“

Sor schreckte schweißgebadet auf ihrem Nachtlager hoch. Zitternd starrte sie auf ihre Hände herab. Ihre Fingernägel hatten sich tief in ihre Handinnenflächen gegraben und eine blutige Linie hinterlassen. Sie stützte sich kurz auf und setzte sich erst einmal hin. Faye hatte von dem Ganzen nichts mitbekommen und schnarchte auf ihrem Bett vor sich hin. Vorsichtig stand Sor auf und ging langsam zu der Schale mit Wasser herüber die ihnen der Capitan hatte zukommen lassen. Selbst so lange das Schiff noch im Hafen lag war mit den Vorräten sorgsam umzugehen. Vorsichtig nahm sie eine kleine, hölzerne Trinkschale und tauchte sie in das kostbare Nass ein, stets darauf bedacht, dass ihre blutende Hand nicht in das Wasser tauchen und dieses unbrauchbar machen würde. Dann setzte sie sich wieder auf ihre Decke und versorgte zunächst einmal ihre verletzten Handinnenflächen. Mit dem restlichen Wasser in der kleinen Schale tupfte sie sich danach über ihr Gesicht und den Hals. Das half ein bisschen. Eine Zeitlang saß sie dort in der Dunkelheit und starrte vor sich auf die Holzdielen des Kajütenbodens. Dann entschloss sie sich, noch einmal auf das Deck zu gehen. Die frische Nachtluft sollte den bösen Traum endgültig verjagen können.

Das nächtliche Schiff hatte kaum etwas mit dem geschäftigen Treiben des Vortages gemein. Sie hörte das Schlagen einer Glocke, das langsam wieder in der Stille der Nacht unterging. Vorsichtig lehnte sie sich an die Rehling und schaute gedankenverloren auf die Reflektion der beiden Monde im Wasser. Es wurde Zeit, dass sie aufbrachen. Diese Warterei war nichts für sie.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Fr 04 Jan, 2013 17:10

Andernorts verabschiedeten sich der Marquis de Morlay und Andrea mit einem freundschaftlichem Handschlag voneinander. Das Zusammentreffen, das in Mitten der Schlossgärten in einem Pavillon stattfand, verlief anfangs für Andrea weniger erfreulich.
Doch im Verlauf des Gespräches gelang es ihm, den Marquis davon zu überzeugen, dass er wohl daran tat, Andreas Ansinnen positiv zu entscheiden. So verließ Andrea den Schauplatz mit der Ernennung zum Conte di Don Cervolo in der Tasche, wie es seines Vater Vermächtnis vorgesehen hatte. Eine gewisse Vicomtesse würde davon zwar wenig erfreut sein, doch das war Andrea herzlich egal. Viel wichtiger war für ihn das Erreichte in dieser Angelegenheit, ja mehr noch, hatte der Marquis ihm nicht nur zugestimmt, Levasseur erneut als Offizier an seine Seite zu stellen, sondern auch in jedeweder Beziehung darüber hinaus zum Erfolg der Mission beitragen zu wollen.
Sei es durch seine Beziehungen zum corphysischen Adel und den Magiokraten, sie es auch durch die handfeste Unterstützung seitens seiner eigenen Schiffe.

So war Andrea einige Sorgen los, als er den Garten verließ und sich eine Droschke heran winkte.
Sogar seine Befürchtungen hinsichtlich des verwaisten Amtes des Großadmirals hatten sich nicht bewahrheitet. Seine Ecxellenz hatte sich mit dem Amt beschieden, dass die Kaiserin ihm anvertaut hatte und seine eigenen Ambitionen auf den Titel des Großadmirals hintenan gestellt. Nicht ohne Bedauern, wie Andrea gewahr wurde, doch ganz mit der zu erwartenden Pflichterfüllung. Dem gemäß würden auch die Ambitionen Admiral d'Estes nicht zu einer Konfrontation an dieser Stelle führen. Tatsächlich schien es dem Marquis de Morlay weniger wesentlich, wer als Großadmiral eingesetzt würde, als das es jemand sei, der aufrecht und loyal zum Imperio stünde und die Dinge regelte, die schon längst hätten geregelt werden sollen.
Andrea hatte wenig erwartet, manches erhofft und war über die Maßen zufrieden mit dem für ihn nur wünschenswerten Ausgang der Unterredung.

Das Einzige, was ihn nun noch bekümmerte war, dass nach dem Gesetz der Serie die für morgen anstehende Begegnung mit der Tochter d'Estes vermutlich wesentlich anstrengender verlaufen würde und wohl auch weniger in seinem Sinne verlaufen könnte. Aber im Vergleich zu dem, was ihm bisher hätte widerfahren können, war das nicht die schlimmste seiner Befürchtungen.

Die eisenbereiften Räder der Droschke klapperten monoton über das Pflaster, die Strassen entlang, die hinunter zum Hafen führten. Hoffentlich würde Levasseur nicht zu lange benötigen, um an Bord zu kommen.
Morgen noch, den Tag darauf würde es schon losgehen. Andrea spielte mit dem Aiagosamulett um seinen Hals. Er würde vor der Abreise ein angemessenes Opfer bringen. Für den vor ihm liegenden Weg war göttlicher Beistand sicher eine der Notwendigkeiten, derer man sich zu vergewissern hätte.

Andrea entlohnte den Kutscher und stieg dann die Treppen zur Villa empor. Eine Nacht noch und ein Tag, dann würde er schon wieder an Bord schlafen. In seiner Kajüte - mehr einer Kammer - eingepfercht mit der Seekiste und wenigen persönlichen Annehmlichkeiten. Aber den Wind um die Ohren, und den salzigen Geschmack der See im Mund. Andrea freute sich schon darauf, den Befehl zum in See stechen zu geben.
...
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » So 06 Jan, 2013 14:14

Hernandez hing über die Reling und rief das Fallreep hinunter: "Was wollt ihr?"
Sein Ruf galt zwei Arbeitern, die mit einem Leiterwagen eine Seekiste transportierten: "Wir bringen das Gepäck für den capitano. Das hier ist doch die Karavelle von Capitano di Caprone Aureo?"
Si, ist sie. Kommt an Bord. Hernandez ließ seiner Einladung einen Strahl Tabaksaft folgen, der neben den Schiff ins Hafenbecken platschte. Derweil quälten die beiden Arbeiter sich mit der Kiste ab und ruckelten sie über die schmale Brücke an Bord. Sie setzten sie auf's Deck und reichten Hernandez noch ein Schreiben. "Das ist für Hernadez Rodruigez."
"Bin ich selbst", antwortete dieser und öffnete das Schreiben. Während seine Augen über die Zeilen wanderten, nickte er den Arbeitern abwesend zum Abschied, die sich wieder von Bord machten, vermutlich um weitere Gepäckstücke von ihrem Leiterwagen zu verteilen.
"Juan, Pjotr - bringt die Seekiste in die Kapitänskajüte, subito". Hernandez wandte keinen Blick auf, um den Matrosen zuzusehen, die nun die Fracht übernahmen, um sich wie angewiesen in die Kajüte zu bugsieren. Ebensowenig kümmerten ihn die Flüche der Beiden, die sich mit dem schweren Möbel den Niedergang herunter mühten. Statt desssen versuchte er aus den Zeichen auf dem Papier Sätze zusammenzubauen, was ihm mit Mühe nur gelang. Lesen konnte er wohl, jedenfall solange man ihm genügend Zeit dafür einräumte. So faltete er schließlich nach einer Weile das Papier, auf dem für ihn zu lesen war:

Ciao Hernadez,
die Truhe in meine Kajüte. Ich komme heute Abend an Bord. Levasseur wird bald erwartet, gib ihm die Kajüte des Ersten. Hoffe er wird rechtzeitig eintreffen. Morgen in aller Frühe mit der Ebbe auslaufen. Bereite alles vor.
Am ersten Abend auf See Abendessen in meiner Kajüte: Levasseur und die beiden Damen.
Der Smut soll zeigen, was er kann.
Grazie.
Andrea di Caprone Aureo


"Levasseur", grinste Hernadez, "molto bene, der kann was!" Er war recht zufrieden mit der Tatsache, dass Levasseur wieder mit von der Partie sein würde. Ein Mann seiner Fähigkeiten wäre auf dieser Fahrt in jedem Fall eine große Hilfe. Hernandez knüllte den Zettel zusammen und machte sich den Niedergang herab, um dem Smut zu bestellen, was von ihm erwartet würde. Dann ging er weiter zu der Kajüte der Damen, um auch ihnen auszurichten, wann man aufbrechen würde und dass am morgigen Abend gemeinsam gegessen werden sollte.
An der Tür angekommen, hinter der die beiden Passagiere ihr Quartier bezogen hatten, klopfte er vernehmlich an: "Scusi!"
Während er wartete musste er lachen. Er hatte schon das Bild vor Augen, dass dem Brief folgen würde. Die Kajüte des Ersten teilten sich gerade die beiden Damen. Also bekäme Levasseur die Kajüte des Zweiten. So müsste Hernandez diese räumen und würde seinerseits den Tenente aus seinem Quartier vertreiben. Die Reise nach Al'Unfalat, ein Stuhl zu wenig. Diesmal würde es den Bootsmann treffen, seine Hängematte zwischen die Manschaften zu hängen.
Hernandez dachte voller Vorfreude an die Flüche, die bei diesem Möbelrücken durchs Unterdeck hallen würden. Da konnte man sicher noch was lernen!
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Aracome » Di 08 Jan, 2013 18:24

Nur wenige Stunden waren seit dem Gespräch zwischen Andrea und Aracome vergangen, da befand sich Claude Levasseur bereits in Aufbruchsstimmung. Routiniert wurde der Seesack innerhalb weniger Minuten gepackt und eine zusätzliche Tasche hielt für besondere Ausrüstung her. Der hünenhafte Mann wandte sich dem Spiegel zu und überprüfte noch ein letztesmal den Sitz seiner Uniform. Er war wahrlich keine Schönheit, vor allem dank der langen und breiten Narbe, welche sich vertikal über seine gesammte linke Gesichtshälfte zog und auch sein Auge in mitleidenschaft gezogen hatte aber immerhin saß die edele Uniform perfekt, dass war doch auch schon was. Offenbar zufrieden zwinkerte Er seinem Spiegelbild zu und gürtete die Waffen. Es war Zeit aufzubrechen.

Einige Minuten später stand er seinem Herrn gegenüber und man verabschiedete sich mit einem Händedruck, auch wenn der weiße Marquis dabei wie üblich sehr zaghaft wirkte. Levasseur wusste welche Probleme sein Herr mit Berührungen hatte und welcher Freundschaftsbeweis es war das er ihm überhaupt die Hand schüttelte. Mehr konnte man kaum erwarten. Wortlos blickten die beiden sich noch einen Moment an, dann überreichte der bleiche Aristokrat dem erfahrenen Seefahrer einige gesiegelte Briefumschläge und eine antike Münze. "Gebt auf euch acht, Claude," sprach der Marquis mit besorgter Stimme. "Natürlich, eure Excellenz," antwortete dieser mit einer Verneigung.

Eine Stunde später hielt eine unauffällige Kutsche in der Nähe des Schiffes. Levasseur schnappte sich seinen Seesack und die Tasche, warf sich beides lässig über die Schulter und marschierte den Pier hinab. Allein schon die breitbeinige Gangart verriet den Seemann in ihm. Beim Schiff angekommen grüsste er die Freiwache mit dröhender, befelsgewohnter Stimme: "Heda, ihr da oben! Sagt dem Maat Bescheid das Claude Levasseur eingetroffen ist und um Erlaubniss bittet an Bord zu kommen!"
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Grande77 » Do 10 Jan, 2013 20:13

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Der Tag an Bord der vertäuten Karavelle hatte sich schier endlos hingezogen. Anfangs war Faye etwas auf dem Deck spazieren gegangen und hatte den Matrosen beim Verstauen der Ladung zugesehen. Mehr als einmal fiel ihr hierbei ein verstohlener, doch mehr als begehrlicher Blick auf. Es wollte jedoch einfach keine Kurzweil aufkommen. Sor war heute keine wirkliche Hilfe für sie - die junge Frau hatte sich auf das Vorderkastell der Karavelle begeben um dort zu meditieren. Faye konnte diesen ganzen fernöstlichen Firlefanz nicht nachvollziehen für den ihre Begleiterin so schwärmte. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, das Schiff noch einmal zu verlassen und ein bisschen durch Alt-Heroida zu schlendern, diesen aber nach kurzer Zeit wieder verworfen. Schließlich entschied sie sich dafür, sich in ihre Kajüte zurückzuziehen und noch ein wenig zu schlafen. Immerhin sollte sie ja am Abend mit dem Capitano und einem gewissen Levasseur speisen, und sie wollte einen guten Eindruck auf beide machen.

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Sor hatte sich auf das Vorderkastell begeben und sich im Schneidersitz auf die Planken gesetzt um zu meditieren. Das stete Gekrächz der Möwen welche hier im Hafen reichliches Fressen vorfanden und allgegenwärtig schienen störte sie dabei recht wenig. Sie wollte einfach etwas Ruhe finden. Anders als ihre Freundin konnte sie recht gut mit sich alleine zurecht kommen. Faye brauchte immer Gesellschaft, die Aufmerksamkeit von Verehrern. Für Sor hatten solche Dinge keinen Stellenwert. Langsam füllte sie ihre Lungen mit Luft, hielt diese eine Zeit lang an und atmete sie schließlich langsam wieder aus. Ihre Gedanken wurden ruhiger, Eindrücke kamen und gingen wieder, bis es nur noch ihre langsamen, gleichmäßigen Atemzüge gab. Das Krächzen der Möwen und die Schreie der arbeitenden Männer schienen weit entfernt zu sein. Innerlich freute sich Sor auf diese Fahrt. Es schien ihr bereits eine Ewigkeit her, dass sie an Bord einer Dschunke in der Bucht von Mandoran stand. Wie es das Schicksal so wollte, befand sie sich nun auf der Seite des Gesetzes, eine seltsame Vorstellung.

Schließlich hatte sich auch Sor wieder in die Kajüte zurückgezogen und Faye behutsam aufgeweckt. Zunächst half sie ihrer Freundin beim Waschen, danach kämmte sie ihre Haare und steckte sie zu einer kunstvollen Turmfrisur zusammen. Faye besaß nur wenige Kleider die sie wie ihren Augapfel hütete. Die beiden Frauen waren gerade damit beschäftigt, die Kurtisane anzuziehen, als es an der Kajütentür klopfte. Während ihre Freundin auf dem Bett sitzen blieb ging Sor zur Tür und öffnete diese. Hernandez, der Maat der sie am Vorabend an Bord empfangen und ihnen ihr Quartier gezeigt hatte stand breitbeinig vor der Kajüte, deutete eine Verbeugung an und sagte, "Meine Damen, ich soll Ihnen Bescheid geben, dass der Capitano bald eintreffen wird und sie zum Abendessen in seinen Quartieren erwartet." Sor schaute ihn kurz an und bedeutete ihm auf Signalo, dass sie beide bald fertig seien und sich dann zum Abendessen einfinden würden. Dann fiel ihr auf, dass sie ja gar nicht wusste, ob Hernandez überhaupt die Zeichensprache verstehen würde, dieser gab ihr aber mit einigen geübten Zeichen zu verstehen, dass er sie verstanden hatte und verabschiedete sich. Sie schloss die Tür wieder hinter sich und wendete sich Faye zu. Schließlich wollte die Kurtisane heute abend einen bleibenden Eindruck hinterlassen...
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon powl » Do 10 Jan, 2013 20:43

Hernandez gab der jungen Frau, dass er verstanden hätte, dass sie verstanden hat.
Als die Tür sich schloss, ging er wieder zurück an Deck. Armes Ding, wenn sie nicht sprechen kann, dachte er sich und hievte sich den Niedergang empor. Er wollte gerade einen dicken Bissen Kautabak nehmen, als er über der Reling die Ankunft von Levasseur beobachten konnte.
"Attentione", krakeelte er über Deck, "Offizier kommt an Bord."
Das brachte Bewegung in die Teejacken. Sie stellten sich zum Spalier auf und der Bootsmann pfiff auf seiner Pfeiffe Seite.
Hernandez, der den capitano so lange vertrat, beugte ich über Bord und grinste herunter: "Gewährt, kommt an Bord."
Als Levasseur die Planke hinter sich gebracht hat, begrüsste ihn Hernandez freundlich.
"Freut mich sehr, Euch wieder an Bord zu wissen, Signore. Wenn Ihr wünscht, führe ich Euch sogleich zu Eurer Kajüte.
Morgen Abend Dinee beim Capitano, soll ich Euch bestellen. Schiff ist seeklar und bereit zum Auslaufen. Zwei weibliche Passagiere an Bord. Ein Mann krank, beim Laden in den Laderaum gefallen und Gehirnerschütterung. Noch drei Tage sagt der Dottore. Sonst keine besonderen Vorkommnisse, Signore."

Hernandez salutiert und lässt dann das Spalier abtreten.
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Re: Zwei Schiffe bereit zur Jagd

Beitragvon Grande77 » Do 10 Jan, 2013 23:45

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Was hatte sie sich geärgert als sie vor der Tür des Capitanos stand und sich aut ihr Klopfen hin nichts regte. Sie versuchte es noch einmal, weitaus energischer. Was war hier los? Hatte er nicht gesagt, dass es heute abend ein Abendessen in seiner Kajüte geben sollte? Noch während sie aufgepäppelt und merklich wütender werdend vor der verschlossenen Tür stand, kam der alte Maat breitbeinig über das Deck gestapft. "Kann ich Euch helfen, meine Damen?", erkundigte sich Hernandez freundlich, aber etwas irritiert. "Ja, wir wollten heute abend mit dem Capitano dinnieren, aber er antwortet nicht auf mein Klopfen." Der alte Seebär hatte deutliche Mühe, sich ein fettes Grinsen zu verkneifen. "Hier muss ein Missverständnis vorliegen, meine Damen. Der Capitano befindet sich noch gar nicht auf dem Schiff. Er hatte sie beide für morgen abend zum Essen in seinem Quartier eingeladen, nicht heute abend." Fayes Gesicht lief feuerrot an, ob aus Wut oder Scham war nicht genau zu erkennen. Trotzig stapfte sie an Hernandez vorbei und schlug die Tür zu ihrer Kajüte lautkrachend hinter sich zu. Drinnen hörte man, wie ein Gegenstand zu Boden geworfen wurde, danach folgte eisige Stille.

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Sor stand ruhig neben dem Maat und schaute ihrer Freundin hinterher. Sie kannte das aufbrausende Temperament der Kurtisane. Mit einigen kurzen Handzeichen gab sie Hernandez zu verstehen, dass sie Faye gesagt hätte, dass das Abendessen erst am morgigen Tag stattfinden würde, dass diese aber darauf bestanden hatte, dass Sor sich im Datum geirrt hätte. Mit den Schultern zuckend ging sie dann an ihm vorbei Richtung Vorderkastell. Sie kannte Faye gut genug um zu wissen, dass es schlauer wäre, ihr erst einmal etwas Zeit zum Beruhigen zu geben. Die abendliche Luft brachte eine angenehme Kühle mit sich. Die Möwen waren allmählich verschwunden und das stete Arbeiten auf dem Schiff war einer angenehmen Stille gewichen. Manche der Matrosen hatten sich zum Würfeln oder Trinken unter Deck begeben, andere hatten sich zum Landgang abgemeldet um vor dem Auslaufen noch einmal bei einer Hure liegen zu können. Sor setzte sich wieder auf ihren Platz, legte ihr Paar Kettenstäbe, das sie immer mit sich trug, neben sich auf die Planken und fing erneut mir ihrer Meditation an. Was sollte es ob das Essen heute oder morgen wäre - das machte absolut keinen Unterschied.

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Die Schüssel mit Wasser flog in hohem Bogen auf den Boden als Faye wütend dagegen schlug. Warum konnten sich diese verdammten Kerle nicht einfach nach ihr richten? Sie schälte sich aus ihrem Kleid und warf es in eine Ecke der Kajüte. Trotzig setzte sie sich auf das Bett und starrte wutschnaubend vor sich hin. All die Mühe war vergebens gewesen. Sie hatte sich extra ihre Lippen mit Lippenrot bemalt, hatte ihr bestes Kleid angezogen und ihre Haare frisiert, und für was? Die hohen Herren ließen sie einfach links liegen. Eine Unverschämtheit war das. Nach einer Weile verflog ihre Wut und wich einem Gefühl des Elends. Langsam fing sie an zu weinen. Aus einer Träne wurden mehr und aus dem Weinen schließlich ein verzweifeltes Heulen. Sie fühlte sich so klein und dumm. Unter all dem Schluchzen bemerkte sie kaum wie die Tür behutsam geöffnet wurde und Sor die Kajüte betrat. Ohne viel Aufsehens zu machen kam die Stumme zum Bett herüber und nahm die verzweifelte Freundin in die Arme bis diese eingeschlafen war. Sor schaute auf die schlafende Faye, strich ihr sanft eine Harrsträhne aus dem Gesicht und deckte sie zu. Dann hob sie das Kleid auf und schlug vorsichtig den Staub heraus. Das konnte ja noch etwas werden, dachte sie sich bevor sie sich selbst zum Schlafen legte.
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